Sieben Predigten in Nürnberg zu St. Aegydien (2. Auflage)/Er kommt!

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D. D. Adv. I.
Er kommt!




Matth. 21, 1–9.
Wir beginnen heute, meine Theuern, ein neues Jahr der Kirche. Wie verschieden aber ist der Anfang eines Kirchenjahrs von dem Anfang des weltlichen Neujahrs! Wenn die Welt am ersten Januar ihr Jahresfest hat, da rauscht es überall von sinnlicher Freude, einer sagt es dem Andern, daß Neujahr sey, und der Begrüßungen und Glückwünschungen wird kein Ende. Daß hingegen die Kirche heute, am ersten Advent-Sonntage, ein neues Jahr beginnt, wissen Viele gar nicht, oder die es wissen, achten den Beginn eines Kirchenjahrs viel minder wichtig, als das weltliche Neujahr. Niemand wünscht Jerusalem Glück, daß sie fest gebaut ist und auf Felsen gegründet, an denen die Pforten der Hölle keine Macht beweisen können: es geht ganz stille und heimlich her mit dem kirchlichen Neujahrsfest, und so, meine Theuern, ist’s auch recht und paßt wohl für das Reich, welches nicht von dieser Welt ist, dessen Leben verborgen ist, und bleiben soll, wie das Leben Seines Königs Jesus. Ja! lassen wir die Kirche still durch die Welt gehen! Möge sie ferner stille seyn und harren, bis Der kommt, der längst beschlossen hat, wie Er sie verherrlichen will! Möge nur ihre inwendige Herrlichkeit immer zunehmen, damit in Erfüllung| gehe, was Ps. 45, 14. gesagt ist: „Des Königs Tochter ist ganz herrlich inwendig!“

 Zugleich, meine Theuern, beginnen wir mit dem heutigen Sonntage die schöne Vorbereitungszeit auf das Geburtsfest unsers Lebens, das ist: Jesu Christi. Während das Leben der sichtbaren Schöpfung erbleicht und erkaltet, thun sich im Gnadenreich, in der Kirche, die Fenster des Himmels auf, und der Aufgang aus der Höhe erscheint: die Bäche heiliger Freude thauen auf und fangen reichlich an zu fließen, wenn die Freuden der Natur versiegen. – Wir feiern die Zukunft des Herrn in der Adventszeit, und zwar ist es eine vierfache Zukunft, durch deren Gedächtniß wir uns auf den Gedächtnißtag einer fünften, nämlich der Zukunft Gottes in’s Fleisch bereiten. Am ersten Advent feiern wir die Ankunft Jesu in Jerusalem zu Seinem Leiden, am zweiten Seine Ankunft zum Gericht, am dritten Seine Ankunft zur Erleuchtung der Welt, am vierten Seine Ankunft in’s Herz der Seinen.

 Unser heutiges Evangelium also handelt von Jesu Ankunft in Jerusalem zu seinem Leiden. Es paßt sehr wohl, beides zur Feier des kirchlichen Neujahrs, wie zur Vorbereitungsfeier des Weihnachtfestes. Ursprünglich war es das Evangelium des Palmsonntags, und bereitete auf Ostern vor. An Ostern fing man ehedem das Neujahr der Kirche an, und als man später dies Neujahr auf den ersten Advent-Sonntag verlegte, nahm man das schöne Evangelium als besonders passend mit herüber. Mit Recht, denn der leidende Christus ist der Grund, worauf die Kirche gegründet ist, der von der Welt verachtete, von Gott geehrte Grund und Eckstein. Und einen andern Grund kann Niemand legen, als den, der gelegt ist, – Jesus Christus, der Gekreuzigte. Ihm gebührt Hosianna d. i. „Glück zu!“ Ihm Neujahrwunsch und Anbetung! – So bereitet unser Evangelium auch schön auf Weihnachten vor. Denn, sagt mir, lieben Brüder, warum freut man sich denn gerade| des Kindes in Bethlehem so hoch, warum feiert man Seine Geburt höher, als alle Geburtstage der Könige auf Erden? Ist’s nicht darum, daß dies zarte Kind Gottes Lämmlein war, welches der Welt Sünden trug? Sein versöhnendes Leiden für uns macht Seine Geburt so freudenreich! Wäre Er nicht für uns gestorben, so würden wir Ihm keine Feste feiern, daß Er geboren ist. Im Glanze des Kreuzes leuchtet das Kripplein zu Bethlehem in die ganze Welt hinaus. Darum werde Sein Leiden gepredigt vor Seinem Geburtsfest, auf daß Jedermann lerne, warum er sich an Weihnachten freuen müsse.

 Es ist indeß alte Sitte der Kirche, nicht allein am vierten Sonntag des Advents über Jesu Ankunft in’s Herz der Menschen zu predigen, sondern diese Ankunft in’s Herz allezeit und in jeder Predigt zu loben und zu preißen. Denn es hilft ja keine and’re Ankunft des Herrn, wenn Er nicht auch die Herzen der Menschen heimsucht. Der Christus, welcher für uns litt, für uns zu leiden heute in Jerusalem einzog, muß auch Christus in uns werden durch den Glauben, unser Christus muß Er werden, – in uns muß Er Wohnung machen, auf daß Er unser Christus sey. – Darum erlaubt mir, in der nachfolgenden Predigt von Jesu Ankunft zum Leiden und in’s Herz des Menschen etwas zu reden. Gott erbarme sich und helfe uns zu einer gesegneten Betrachtung! Amen.

 1. Er kommt nach Jerusalem zu Seinem Leiden. An dem Tage, an welchem Er einritt, war einst Josua durch den Jordan gegangen: an ihm fing Jesus an, sich zum Durchgang durch den Jordan des Todes anzuschicken. An demselben Tage, sechs Tage vor Ostern der Juden, mußte man die Osterlämmer aussondern: an Ihm wurde auch unser Osterlamm ausgesondert. Er wußte, was es Ihm galt, darum ritt Er so ernst unter den Lobgesängen Israels den Oelberg hinab, hinein in die Stadt, welche die Propheten getödtet hatte und auch Ihn tödten wollte. Er| wußte, daß er Seine letzte Woche anfinge, wenn Er heute nach Jerusalem einreiten würde; aber Er ritt dennoch ein, Er kam. Wie sollte sonst die Schrift erfüllt werden? Er kam, – und zwar mit der größten Absicht, die es geben konnte. – Jerusalem und das ganze Volk der Juden waren voll Sünden. Von der Fußsohle an bis auf’s Haupt ward nichts Gesundes funden, sondern Wunden der Seelen und Striemen und Eiterbeulen, die nicht geheftet, nicht verbunden, noch mit Oele gelindert waren. Die heilige Stadt war nur dem Namen nach noch heilig, selbst der Tempel war zur Mördergrube geworden. Judäa hatte das Maaß seiner Sünden fast schon voll gemacht, Samaria war ein Gräuel vor Gott, Galiläa hieß der Heiden Galiläa. Und wie Judäa, so alle Lande. Des Schöpfers Ehre war durch der Menschen Bosheit so verdeckt, daß die Augen der Frommen vor vergeblichem Suchen nach der Ehre Gottes auf Erden weinen mußten, und nur die Engel, die mit andern Augen sehen, noch singen konnten: „Alle Lande sind Seiner Ehre voll!“ Die Sünde der Welt war in dicken Wolken aufgestiegen, welche rings um die Erde lagen und das gnadenreiche Licht des Angesichts Gottes wegnahmen. Die Welt häufte tagtäglich Zorn auf den Tag des Zorns und gerechten Gerichts Gottes. Die Sündenwolken aber, welche das Angesicht des Herrn vor ihr verbargen, däuchten ihr Schilde zu seyn, unter deren Schatten sie sicher und ruhig fortsündigen könnten. Denn vor lauter Sünde wußten sie nicht mehr, was Sünde ist. Es war eine betrübte, schwere Zeit!
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 Nun war aber auch die Zeit erfüllt, die Noth auf’s höchste gestiegen, die Hülfe nöthiger, als nöthig. Nun mußte der Helfer kommen, der Versöhner, der Bürge erscheinen! Und nun erschien Er! Am Abend der Welt ward’s helle: siehe, da reitet Er ein in Jerusalem! Die Welt ahnt’s nicht: weder der Kaiser in Rom denkt daran, noch irgend ein Bewohner der Wüste, der nichts vermag.| Die Herrlichkeit des Herrn zieht still einher. Die Herrlichkeit des Herrn fährt einher in einer Wolke, von welcher Niemand ahnet, wer in ihr ist. Seine große Hülfe wird bereitet im Verborgenen.

 Da zieht Er ein, Jesus Christus! Seine Absicht ist groß. Er will nichts weniger und nichts mehr, als die Welt umkehren, daß sie erneuert werde. Die Sündenberge will Er in’s Meer der göttlichen Barmherzigkeit versenken. Die Wolken des göttlichen Fluches will Er ausdrücken, wie einen Schwamm, wie eine böse Traube, ihren Saft will Er auffangen in einem Kelch, den Kelch will Er leeren bis auf die Hefe, selbst will Er ihn leeren. Er will den Himmel heiter machen über der fluchbeladenen Erde. Das Angesicht des gerechten Gottes will Er in Gnaden leuchtend machen über dem bösen Gewissen der Welt. Er will erfüllen, was die Engel bei Seiner Geburt weissagend sangen: „Friede auf Erden! an den Menschen Gottes Wohlgefallen!“ Daß es also werde, geht Er in’s Gericht.

 Das will Er thun, in Jerusalem will Er’s vollbringen, darum zieht Er ein! Ist das nicht groß, und ist’s nicht große Liebe? Wer hat einen Abgeordneten an Ihn geschickt, daß Er’s thäte? Wer hat Ihn gerufen, oder wer hat Ihn gezwungen, zu kommen? Das thut Er aus angeborener Milde, aus ewiger, freier Güte, nach einem Entschluß, der bei Ihm fest stand, ehe die Welt gemacht ward! „Ihr habt mich nicht erwählt, sondern ich habe euch erwählt,“ heißt es hier. Und warum, warum erwählt Er uns? Er ist die Liebe, antworte ich, Liebe, lauter Liebe ist Er!

 Aber vermag Er auch, was Er sich vorgenommen? Brüder! so konnte man fragen, wenn man Ihn auf einem Eselsfüllen, unter der Menge des jubilirenden Volks weinend, stille reiten sah! Aber wir, wir werden doch nicht zweifeln? Er hat’s gethan! – Sieh dies sanfte, weinende| Auge: eine Thräne dieses Auges, am Oelberg, in Gethsemane geweint, drückt einen Oelberg von Sünden nieder! Dir mißfällt dies vor Traurigkeit geneigte Haupt des stillen Königs ohne Prunken? Was wirst du erst sagen, wenn dies Haupt unter dem Dornenkranz erbleicht, wenn es müde auf die Brust niedersinkt? wenn es stirbt? Ich sage dir, nein, Gottes Wort sagt dir: Da neigte Er zum Kelch des Todes Seinen Mund, auf daß Er den Tod verschlänge in den Sieg! Das ist Seines Sieges letzter Schritt, mit dem’s vollbracht ist! – Du betrachtest zweifelnd diese Hände, die so milde die Zügel führen, diese Füße, welche so ruhig und ohne Kampf vom Rücken des Lastthiers herabgleiten: wisse, in diesem Mann, der sanft ist, wie ein Lamm, ist verborgen Der, von welchem die Aeltesten im Himmel der kummervollen Welt trostreich predigen: „Weine nicht! Siehe, es hat überwunden der Löwe aus Juda!“ In Ihm verborgen ist, der in der Wiege schon Kraft und Held genannt ward! Diese Hände würgen deine Sünde, liebe Seele, – ja, diese Hände tödten deinen Tod, – diese Füße treten den alten Feind, den Satan, ewiglich zu Boden! Sey getrost! Er thut’s!
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 Warum aber, wenn Er so groß und stark ist, kommt Er so schwach und demüthig, warum so klein gegen die Könige der Erde? Ach wie gering ist Er! Er reitet nicht auf weissem Rosse. Das Lastthier, auf dem Er sitzt, ist nicht Sein, ist entlehnt. Kleider armer Leute sind Sein Reitzeug. Keine prächtigen Trabanten gehen oder reiten neben Ihm. Es ist Alles so gar klein beim Einzug des großen Königs: wie kommt das? – Erinnere dich, mein Herz! nicht zum Triumphe zieht der Herr nach Jerusalem, sondern zum Tode; nicht zu Freuden, sondern zu schweren Leiden. Schon ist das Grab gehauen, darin Er liegen soll; schon der Berg Golgatha bereit, Sein Kreuz auf seinem Scheitel aufpflanzen zu lassen; und längst ist das Holz gewachsen, an welchem hängend Er sterben wird!| Würdest du’s schicklich finden, wenn Er zum Werke der blutigen Versöhnung in Herrlichkeit einher prangete? Ach, es geht sehr mit Ihm hinab, wie könnte Ihn die Pracht der Erde erfreuen? Sieh’, das ist Gottes Lamm! Sanftmüthig und demüthig, wie ein zum Opfer bekränztes Lamm, zieht Er unter dem Lobgesang Seiner Schlächter! Wundre dich nicht, so lautete ja das Geheimniß der Weissagung; „Tochter Zion, Dein König kommt zu dir sanftmüthig!“ So sanftmüthig und demüthig mußte Er werden, damit, wenn Er erhöhet wäre von der Erde an das Kreuz, Er allen Sündern desto einladender, desto lockender zurufen könnte: „Ich bin sanftmüthig und von Herzen demüthig! kommet her zu mir Alle, die ihr mühselig und beladen seyd! Ich will euch erquicken, Ich will euch Ruhe geben für eure Seelen!“ Weine also nicht über Ihn, bedaure Ihn auch nicht, laß uns freuen und fröhlich seyn! Er hat es überstanden, nun theilen wir Seine Siegesfreude! unterliegend hat Er gesiegt und sterbend überwunden! Halleluja!

 2. Wie lieblich, meine theuern Brüder, ist für Augen, die da sehen, Jesu Einzug nach Jerusalem! Und doch ist Sein Kommen in unsern Tagen schöner, lieblicher und größer, als Sein Kommen nach Jerusalem.

 Zwar kommt Er unsichtbar, aber Er kommt in allem Schmucke Seines Leidens und Seiner Verherrlichung. Sein Einzug in die heilige Stadt war klein, Niemand ahnte, welch’ ein Name über Ihm bei Gott genannt war. Aber nun, nachdem Er gehorsam gewesen ist bis zum Tode, ja bis zum Tode am Kreuze, hat Ihn Gott vor allen Völkern offenbart, einen Namen gegeben, der über alle Namen ist. Jesaias spricht von Ihm: „Seine Herrschaft ist auf Seiner Schulter:“ das konnte damals Niemand erkennen; Sein armer Rock bedeckte Seine Schulter. Jetzt aber ist Er in königlichen Schmuck gekleidet, in priesterliche Zier, Licht ist Sein Kleid, das Er anhat, – man erkennt’s an Ihm, daß Ihm gegeben ist alle Macht und| Gewalt im Himmel und auf Erden. Doch aber ist Er nicht schrecklich, die Spuren Seines Leidens und Sterbens sind an Ihm erkennbar, Seine Wunden, die Siegel unsrer Versöhnung mit Gott, glänzen, – es ist Der, Der für uns aus überschwänglicher Liebe in den Tod ging! Er kommt, und Sein Herz hat sich gegen uns nicht verändert. Herrlich und lieblich ist Sein Kommen.

 Und welch’ eine Absicht hat Sein unsichtbares Kommen? Siehe, es treibt Ihn Seine Liebe, dieselbe Liebe, die Ihn in den Tod getrieben, Seine erlösende, Seine hülfreiche Liebe! Wohl wäre es genug, daß wir, Seine Diener, vor Ihm her Hosianna singen, und Seinen Namen predigen, daß die Welt davon erschallt. Aber Er will uns nicht allein ziehen lassen. Er kommt hinter Seinen Dienern her. Er hat es verheißen, da Er sprach: „Siehe, Ich bin bei euch alle Tage, bis an der Welt Ende!“ Gleichwie Er sagt: „Wo Ich bin, da sollen meine Diener auch seyn;“ so ist’s auch wahr: wo Seine treuen Diener zur Predigt Seines Namens sich befinden, da ist auch Er selbst! Er macht mit ihnen gemeinschaftliche Sache: ja, Er ist der Arbeiter und sie sind Seine Mitarbeiter! Sie suchen Seelen, Er sucht und findet sie. Er sucht, der gute Hirte. Die Menschen auf Erden sind ein irrsam und sündiges Geschlecht; darum sucht Er sie. Er sucht alle, alle Seine verlornen Schafe, Sein Geist und Wort müssen allen Sündern nahen, Er will alle Gewissen trösten, jede Seele heiligen, und wer selbst unrettbar verloren zu seyn wähnt, dem will Er zeigen, daß Seine Liebe und Liebesmacht alle Sünde und Sündenmacht übersteigt! Freuet euch, die ihr euch an so etwas freuen könnt. Ein Hirte aller Schafe, Ein Heiland aller Völker zu werden, das ist die Absicht Seines Kommens in unsern Tagen.

 Aber bedenkt, liebste Seelen, sanftmüthig ist auch jetzt Sein Kommen, Er dringt sich Niemand auf: Er klopft an allen Thüren, übergeht keine und zieht keine vor,| bei Königen und bei Tagelöhnern klopft Er an; denn sie sind alle Sünder, und Er will zu allen Sündern eingehen, und Abendmahl mit ihnen halten. Aber sanft ist Er, Brüder, so sanft, so klein, daß Er sich auch abweisen läßt. Er klopft überall, und wer Ihm nicht aufthut, von dessen Thüre geht Er weg. Zwar kommt Er öfter wieder, aber je öfter Er abgewiesen wird, desto seltener wird Sein Klopfen vernommen, und endlich nicht mehr. Man kann Ihn so abweisen, daß Er nicht mehr wiederkommt. Die Erfahrung sagt es – ha erschrecket! Abweisen – Ihn, den König aller Könige, welch’ ein Frevel! Ihn, den Heiland aller Sünder, den für uns Geopferten, für uns Auferstandenen, den ewigen Fürsprecher bei dem Vater! Welch’ eine Thorheit, welch’ ein Verbrechen an der eignen Seele! Ihn abweisen! Zittert, Brüder! ladet Ihn viel lieber allezeit ein, auf daß Er ja nicht vor euch vorübergehe, auf daß Er zu euch komme. Denn wohin Er kommt, da ist Sein Reich, d. i. Gerechtigkeit, Friede und Freude im heiligen Geist!
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 Ihr sprecht: „Wer sollte Ihn abweisen! Wir wollen Ihn nicht abweisen. Aber sag’ uns nur: meinst du denn wirklich, daß Er selbst, Er in höchsteigener Person zu uns komme, wie wir zu einem Freunde: so wahrhaftig, so gewiß? Meinst du es so?“ Antwort: ja, meine Brüder, so mein’ ich’s, und ich mein’ es nicht blos, sondern ich weiß es gewiß, und nicht allein ich sag’ es (denn was könnte ich von mir selber wissen oder sagen?), Er selbst sagt es. Die Offenbarung Johannis ist doch wohl nach der Himmelfahrt geschrieben, da der Herr auf Erden bereits so unsichtbar geworden war, als jetzt: und doch kam Er auf wunderbare Weise zu Johannes und befahl ihm, einer damals lebenden Gemeinde zu schreiben: „Siehe, Ich stehe vor der Thür und klopfe an. So jemand Meine Stimmen hören wird, zu dem werde Ich eingehen, und das Abendmahl mit ihm halten, und er mit Mir.“ Und Joh. 14, 23 verhieß| der Herr: „Wer Mich liebet, der wird Mein Wort halten; und Mein Vater wird ihn lieben, und Wir werden zu ihm kommen und Wohnung bei ihm machen.“ Ob man Ihn sieht oder nicht, darauf kommt nichts an. Er begehret ja nicht, in unsere sichtbaren Leiber einzuziehen: die unsichtbare Seele will Er zu Seiner Wohnung machen, darum zieht Er auch billig unsichtbar hinein. Er ist überall im Kommen, wo Sein Wort gepredigt wird. Während die Worte an euere Ohren anschlagen, klopfet der Geist an euere Herzen. Wer die Stunde Seines Kommens wahrnimmt, wer mit einem Male die Sorgenmenge, die Freudenmenge, das Getümmel der Ehre, die Sündenlust der Welt weglegt, seines Herzens Thüre mit Verlangen aufthut, zu dem kommt der Gesegnete des Herrn, Gnad’ und Frieden zu bringen aus der Höhe. Ein Solcher wird es an sich spüren – an dem Frieden seiner Seele, an dem Trost in allen Nöthen, an dem Muth zu allem Guten, am Dank für die Vergebung seiner Sünden, an der gewissen Hoffnung des ewigen Lebens bis in den Tod hinein: spüren wird er’s also, daß der Herr Advent gehalten hat, daß Er in Seiner Seele eingezogen ist.




 Nun denn, weil Er allezeit im Kommen ist, bei jeder Predigt Seines Worts, in jeder Stunde, da man Seiner harrt: so wird Sein Kommen auch jetzt, auch im beginnenden Kirchenjahre nicht fehlen, denn wir harren Sein, und predigen Seinen Namen. Darum thue ich meinen Mund auf in dem Namen meines Gottes und verkündige mit Freuden ein gnädiges Jahr des Kommenden. Er kommt, den Elenden zu predigen, die zerbrochenen Herzen zu verbinden, zu predigen den Gefangenen eine Erledigung, den Gebundenen eine Oeffnung. Er kommt, zu trösten alle Traurigen, zu schaffen den Traurigen zu Zion, daß ihnen Schmuck für Asche und Freudenöhl für Traurigkeit und| schöne Kleider für einen betrübten Geist gegeben werden – und sollen heißen Bäume der Gerechtigkeit, Pflanzen des HErrn zum Preise.“ – Ja, Amen! Wer da will, der nehme für dies Jahr dahin die Verheißung des ewig Reichen, welcher spricht: „Siehe, dein Heil kommt; siehe, Sein Lohn ist bei Ihm und Seine Vergeltung ist vor Ihm. Man wird dich nennen das heilige Volk, die Erlöseten des Herrn, die besuchte und unverlassene Stadt!“ (Jes. 62, 11. 12). Was sagt ihr zu der Bothschaft von dem Kommenden? Was wollt ihr thun? Siehe, merket euch zum Zeichen, was ich zum Schluß noch sage:

 An jedem Laubhüttenfeste einmal sollen die Thüren des Priestervorhofs im Tempel geöffnet worden seyn für alle Männer Israels. Auf dem Altare schlug die Flamme zu Gott empor. Paarweise, Palmzweige in den Händen tragend, zogen nun alle Männer Israels um den Altar und sangen mit lauter Stimme: „Hosianna, lass wohl gelingen! Gelobet sey, der da kommt im Namen des Herrn!“ (Ps. 118, 25, 26.). Israel dachte dabei an den Messias, welcher kommen sollte. Als nun heute das Volk dem Herrn entgegen zog; da fiel der Geist des Herrn Herrn auf sie und die Jünger; sie erkannten in Jesu die Erfüllung der Verheißung und der Gebete so vieler Jahrhunderte, sie trugen Palmzweige und sangen, wie am Laubhüttenfeste: „Hosianna!“ – Und nachdem sie Ihn erkannt, nachdem sie Ihn eingeholt, sprachen sie das Urtheil der Verwerfung über Ihn nach wenig Tagen, verwarfen den Stein, welchen sie selbst im Lichte des heiligen Geistes als den Eckstein des Hauses Gottes erkannt hatten. So bald änderte es sich mit ihnen.

 Wie nun, Brüder, wollet ihr euern Heiland aufnehmen, wie die Juden? Wollt ihr Ihm blos für einen Augenblick einen Lobgesang singen? Meinet ihr, Ihm liege am Hosianna eines wankelmüthigen Volkes, an einem Hosianna, das heut’ Abend erschallt, und morgen verhallt?| Oder wollet ihr blos auf euern Lippen ein Hosianna bringen? Ist Er keines weitern Hosianna’s werth? Er ist ein ewiger König, deß Jahre kein Ende nehmen; ewiges Jauchzen und unvergänglicher Lobgesang gebührt Ihm. Er hat nicht blos euere Lippen erlöset, daß blos sie Ihm ein Hosianna brächten, euer Herz und Gewissen, euer ganzes Leben und Weben ist Seines Kreuzes blutiger Lohn. Ihm gebührt ein volles Hosianna aller eurer Kräfte, alles eures Vermögens. Es sey Ihm jeder Odemzug ein Dank, und jeder Pulsschlag ein Lobgesang!

 Wer Lust zum HErrn hat, trete mit mir vor Sein Angesicht! Schmücket Ihm festlich eure Herzen, ergreift Palmzweige der Ehre, lasset Ihm uns entgegengehen und zu Ihm sprechen:

 In diesem Kirchenjahre, Herr Jesu, soll Alles, was mein ist, Dein seyn: mein Herz, mein Geist, mein Leben, mein Leib, die Worte meiner Lippen, die Werke meiner Hand, – mein Vater, meine Mutter, meine Geschwister, meine Kinder: Alles sey Dein! Komm, Gesegneter, nimm es hin zum Lobopfer, weihe und salbe Dir alles selbst durch Deinen heiligen Geist! Sieger, siege über mich und meine Sünde und mein Elend durch Deine Gnade! Es möge Dir gelingen in Deiner großen Kraft! Hosianna! Ewig nimm mich zu Deinem Eigenthum; denn Du hast mich erkauft zum ewigen Leben! Führ’ in diesem Jahre mich immer mehr ein in Deine Demuth, in Deinen Frieden, in Deine Liebe! Mache mich so, daß ich etwas sey zum Lobe Deiner herrlichen Gnade! Komm! gebenedeyet seyst Du, der Du kommst im Namen des Herrn, selig zu machen aus der Höhe! Halleluja! Amen.






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