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Die Herrlichkeit des Herrn zieht still einher. Die Herrlichkeit des Herrn fährt einher in einer Wolke, von welcher Niemand ahnet, wer in ihr ist. Seine große Hülfe wird bereitet im Verborgenen.

 Da zieht Er ein, Jesus Christus! Seine Absicht ist groß. Er will nichts weniger und nichts mehr, als die Welt umkehren, daß sie erneuert werde. Die Sündenberge will Er in’s Meer der göttlichen Barmherzigkeit versenken. Die Wolken des göttlichen Fluches will Er ausdrücken, wie einen Schwamm, wie eine böse Traube, ihren Saft will Er auffangen in einem Kelch, den Kelch will Er leeren bis auf die Hefe, selbst will Er ihn leeren. Er will den Himmel heiter machen über der fluchbeladenen Erde. Das Angesicht des gerechten Gottes will Er in Gnaden leuchtend machen über dem bösen Gewissen der Welt. Er will erfüllen, was die Engel bei Seiner Geburt weissagend sangen: „Friede auf Erden! an den Menschen Gottes Wohlgefallen!“ Daß es also werde, geht Er in’s Gericht.

 Das will Er thun, in Jerusalem will Er’s vollbringen, darum zieht Er ein! Ist das nicht groß, und ist’s nicht große Liebe? Wer hat einen Abgeordneten an Ihn geschickt, daß Er’s thäte? Wer hat Ihn gerufen, oder wer hat Ihn gezwungen, zu kommen? Das thut Er aus angeborener Milde, aus ewiger, freier Güte, nach einem Entschluß, der bei Ihm fest stand, ehe die Welt gemacht ward! „Ihr habt mich nicht erwählt, sondern ich habe euch erwählt,“ heißt es hier. Und warum, warum erwählt Er uns? Er ist die Liebe, antworte ich, Liebe, lauter Liebe ist Er!

 Aber vermag Er auch, was Er sich vorgenommen? Brüder! so konnte man fragen, wenn man Ihn auf einem Eselsfüllen, unter der Menge des jubilirenden Volks weinend, stille reiten sah! Aber wir, wir werden doch nicht zweifeln? Er hat’s gethan! – Sieh dies sanfte, weinende