Seite:Zeitschrift des Vereins fuer Volkskunde 29 054.png

Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.

das also doch nicht „in Hinterpommern ganz unbekannt“ ist, wie in den Blättern für Pommersche Volkskunde 5, 74 behauptet wird.

Ebenso ist die Antwort, die der Stieglitz auf die Frage nach seinem Vater erhält, (V. 11) „Fritz Stieglitz, din Vadder is dod; hei liggt und’r dei Lind un frett kein Brod“ eine Übertragung des Neckreims auf den Namen Fritz:

Fritz Stieglitz, din Vagel is dot.
Hei liggt im Grawe un röppt na Brot.

Der Wunsch der Kindelbeersgäste, die Namen der 18 Kinder des Hahns zu erfahren, und die Namengebung selbst (2, 11) sind eine Nachbildung des Liedes

„Et was enmal ein Edelmann,
De schafft sich sämtlich Veih woll an.
All Lüd wull’n weiten,
Wo sin Veih söll heiten.“

(Vergl. Blätter für Pommersche Volkskunde 2, 167 und Bolte-Polívka, Anmerkungen zu KHM. 3, 129).

Der letzte Vers des zweiten Liedes

Wenn sei güstren nich storwen sind, denn lewe sei noch hit.
Dat is dem Herrn von Hickenpicken sin Truer- un Freudenlied.

ist eine originelle Verbindung des allbekannten scherzhaften Märchenschlusses und des uralten wirkungsvollen Epenschlusses, wie er auch im Nibelungenlied vorliegt.

Das dritte Lied ‘Der Tod des stolzen Hahns’ fällt in der Erfindung der Fabel und in der Straffheit der Handlung ab: es ist eine Verwässerung der auch in die Kinderfibeln übergegangenen moralischen Erzählung von den faulen Mägden. Der Brustknochen, durch den die faule Lotte in V. 9 einen solchen Gewinn erhofft, dass sie nicht mehr nötig hat zu spinnen, ist das sporenförmig gebogene Schlüsselbein des Hahns. Hat es auf dem Lande einen Gänse- oder Entenbraten oder ein Backhuhn zu Mittag gegeben, so pflegen junge Leute und Kinder das Schlüsselbein mit dem Daumen und Zeigefinger zu fassen und durch Zerren zu zerbrechen. Wer das grösste Stück behält, hat gewonnen und erhält gewöhnlich auf dem nächsten Jahrmarkt von dem Verlierenden ein Geschenk. Daher heisst der Knochen auch wohl Jahrmarktsknochen.

     Osnabrück. August Brunk.     


Nachrufe.
Josef Pommer †.

Am 22. November 1918 schied zu Gröbming in der Steiermark der betagte Volksliedforscher Regierungsrat Prof. Dr. J. Pommer aus dem Leben, das nach dem Zusammenbruche des Vaterlandes für den glühenden Patrioten keinen Wert mehr hatte. Schon als Gymnasiast war er (geb. am 7. Februar 1845 in Mürzzuschlag) von solcher Begeisterung für die Volksweisen ergriffen, dass er in der Harmonie- und Kompositionslehre Unterricht nahm, um sie setzen zu können, und in den Ferien mit mehreren sangesfrohen Kameraden die liederreichen Täler der Untersteiermark und Kärntens durchwanderte. Nachdem er in Wien Philosophie, Mathematik und Physik studiert hatte, wurde er 1870 zum Doktor promoviert und trat bald darauf in den Lehrkörper des Mariahilfer Gymnasiums ein, dem er bis zu seiner Pensionierung angehörte. Für sein Lieblingsgebiet wirkte er durch die Gründung des deutschen Volksgesangvereins in Wien (1889), durch die zwanzig Jahrgänge

Empfohlene Zitierweise:
Fritz Boehm (Hrsg.): Zeitschrift des Vereins für Volkskunde 29. Jahrgang. Behrend & Co., Berlin 1919, Seite 54. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Zeitschrift_des_Vereins_fuer_Volkskunde_29_054.png&oldid=- (Version vom 1.8.2018)