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Bernhard Grueber: Peter von Gmünd genannt Parler. In: Württembergische Vierteljahrshefte für Landesgeschichte. Jahrgang I.

zwar nicht umfangreiche aber desto gediegenere Werk von Grüneisen und Mauch „Ulm’s Kunstleben im Mittelalter“, welches schon 1840 veröffentlicht wurde. Nun folgten zahlreiche Abhandlungen über die Klöster Schwabens, den Münsterbau in Ulm und andere Denkmale, veröffentlicht durch den Verein für Kunst und Alterthum in Ulm und Oberschwaben. Von hervorragender Bedeutung sind Mauch’s Untersuchungen „Die Münster-Baumeister in Ulm“ im II. Heft (1870) der Verhandl. obigen Vereins. Besonderes Interesse verdient der in diesen Schriften nachgewiesene Zusammenhang zwischen den Künstlerfamilien der Gmünder und Ensinger.

Die Geschichte der verbreiteten Familie Böblinger hat Dr. Karl Pfaff nach archivalischen Quellen aufgehellt; weiterhin hat sich Dr. K. D. Hassler durch sein anziehendes Werk: „Ulms Kunstgeschichte im Mittelalter“ verdient gemacht, indem er, Mauch’s Arbeiten ergänzend, das Ineinandergreifen der schwäbischen Meister darlegte. Endlich folgte die vortreffliche Festschrift von Friedrich Pressel: „Ulm und sein Münster“, eine meisterhafte Darstellung des Münsterbaues mit sorgfältigster Sichtung des geschichtlichen Materiales.

Im Osten hat Dr. Hermann Luchs in Breslau durch seine „Schlesischen Fürstenbilder“ wesentlich beigetragen, das Hinübergreifen des Meisters Parler und seiner Schule nach Schlesien aufzuklären, während Karl Woldemar Neumann in Regensburg durch Herausgabe einer Monographie über Leben und Wirken der drei Dombaumeister Roritzer vieles Licht über die Schlußperiode der gothischen Architektur und die letzten Meister der schwäbisch-böhmischen Schule verbreitete. Beide zur Zeit noch wenig bekannte Werke verdienen eine nähere Besprechung.

Der fleißige Kunstforscher Dr. Luchs hat in vierzig Biographien und siebenundvierzig lithographirten Abbildungen nicht allein eine fortlaufende Regenten- und Kirchengeschichte seines Heimatlandes seit Einführung des Christenthums bis in die Mitte des XVI. Jahrhunderts ausgearbeitet, sondern auch die Entwicklung der Künste, namentlich der Skulptur, in den bisher noch wenig erschlossenen deutschen Ostmarken auf eine allverständliche Weise dargelegt. Bei den engen Beziehungen, welche seit ältester Zeit zwischen Böhmen und Schlesien bestanden und dem Umstande, daß beide Länder während der Luxemburgischen Regierungsperiode (1310–1437) zu einem einzigen Staate verbunden waren, konnten auch künstlerische Wechselbeziehungen nicht ausbleiben. Das Verdienst, diese aufgedeckt zu haben, gebührt mit Auszeichnung dem Verfasser der schlesischen Fürstenbilder: er hat die Verwandtschaft zwischen der Portraitstatue des Bischofs Pogarell in Breslau und der des Erzbischofs Otto von Wlaschim in Prag zuerst erkannt und zu weitern Forschungen Anlaß gegeben. Für uns sind die schlesischen Skulpturwerke des XIV. Jahrh. von höchster Bedeutung, vor allen das mit vielen Reliefs und reichem Farbenschmuck ausgestattete Hochgrab des Herzogs Heinrich IV. von Breslau, dann die Denkmale des Bischofs Przeslaus Pogarell, des Herzogs Bolko II. von Münsterberg und das in der Prager Domgallerie befindliche Bildnis der schlesischen Prinzessin Anna von Schweidnitz. Durch Bekanntgabe dieser Denkmale wurde der Zusammenhang der schlesischen und schwäbisch-böhmischen Bildhauerschule aufgedeckt und zugleich den architektonischen Forschungen eine neue Bahn eröffnet.

Anderer Art sind die Beziehungen zwischen der Gmünder Familie und den Dombaumeistern Roritzer von Regensburg. Die Roritzer traten als Künstler erst auf, nachdem die Söhne und letzten Schüler Peter’s theils abgetreten waren, theils sich in alle Welt zerstreut hatten. Konrad Roritzer, der erste Meister dieses Namens, welcher von circa 1440 bis 1480 am Dome zu Regensburg beschäftigt war und von 1450 an den Bau als Thumbmaister leitete, wurde in seiner Jugend, vielleicht nur mittelbar, in die Grundlehren des Magisters Peter eingeweiht, wie dieses sein Entwurf des Chores der St. Lorenzkirche in Nürnberg verräth. Ob nun der Steinmetz Wenzla aus Böhmen, welcher um 1410 zu Regensburg vorkommt und der bald für einen Sohn Peter’s, bald für einen von den Jungkherrn angesehen worden ist, auf den jungen Konrad eingewirkt habe, oder ob dieser durch einen andern in der Prager Bauhütte gebildeten Künstler unterrichtet worden sei, läßt sich nicht ermitteln: gewiß ist, daß auch Konrad’s Söhne Matthäus und Wolfgang an denselben Lehren festgehalten haben. Diese Thatsache verdient um so größere Beachtung, als die Roritzer zu den letzten Meistern des gothischen Styls gehören, welche inmitten der hereinbrechenden Verkünstelung und Entartung stets bemüht waren, die möglichste Reinheit der Formen aufrecht zu erhalten. Matthäus Roritzer, welcher seinem Vater im Jahr 1480 als Dombaumeister folgte und als solcher bis 1495 wirkte, hat für unsere Untersuchungen in seiner Eigenschaft als Baumeister und erster deutscher Kunstschriftsteller die höchste Wichtigkeit und steht mit der Geschichte der Parler in naher Beziehung. Matthäus hatte wahrscheinlich im Hause seines Vaters die erste Unterweisung in der Steinmetzkunst erhalten, begab sich dann nach Straßburg, wo er 1474 als Geselle freigesprochen (aufgenommen) wurde. Hier in Straßburg erlernte der Geselle auch die Buchdruckerkunst, welche er nach seiner Heimkehr

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Bernhard Grueber: Peter von Gmünd genannt Parler. In: Württembergische Vierteljahrshefte für Landesgeschichte. Jahrgang I.. H. Lindemann, Stuttgart 1878, Seite 204. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:WuerttVjhhLG_Jhg_01.djvu/212&oldid=- (Version vom 1.8.2018)