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Bernhard Grueber: Peter von Gmünd genannt Parler. In: Württembergische Vierteljahrshefte für Landesgeschichte. Jahrgang I.

Der zweite Codex hat ein etwas größeres Format und besteht aus fünf eingebundenen Lagen von 43½ cm. Höhe und 15½ cm. Breite. Mit Ausnahme des verschiedenen Formates sind Papier und Schrift in beiden Büchern ganz gleich und schließen die hier enthaltenen Rechnungen genau an die im ersten Buche enthaltenen an, laufen dann regelmäßig bis zum Jahresschlusse 1378 fort. Am Schlusse findet sich die sehr interessante Notiz: „totalis distributio hujus libri: 3353 sexagl. 15 gl. Pr.“ (3353 Schock 15 Groschen Prager Währung[1]. Nur im Anfang dieses Buches wird Benesch noch als Baudirektor genannt, von 1375 an führt Andreas Kotlik als Baudirektor und Notar allein die Rechnungen.

Neben den Fortschritten des Baues entnehmen wir aus den Rechnungen, daß Meister Peter mit verhältnismäßig wenigen Werkleuten, Gesellen, Taglöhnern und sonstigen Gehilfen arbeitete, indem deren Anzahl selten über dreißig anstieg, während zur Winterzeit nur zehn bis zwölf Leute beschäftigt waren. Es kommen nur Taufnamen vor, auch sind die Löhne nicht wesentlich verschieden, daher ein Rangunterschied zwischen den Arbeitern nicht nachgewiesen werden kann. Auch sind die Namen, wie dies in allen mittelalterlichen Verzeichnissen vorzukommen pflegt, mit den mannigfaltigsten Variationen geschrieben, wie unter andern der Name Johann bald: Hanns, Hanes, bald böhmisirt: Hanusch, Jan, Janek, Janko, Hansch geschrieben wird, wobei selten entziffert werden kann, ob ein schon in frühern Rechnungen Genannter oder ein Neuauftretender gemeint sei. Unser Meister Peter von Gmünd erhält folgende Bezeichnungen: magister Petrus, Petrus dictus Parler, Parlerius, Parlerz, Petr. Kamenik, und in populär böhmischer Form Pessek. Ob in der Zeit von 1372 bis 1378 einer von den Söhnen des Meisters, oder dessen Schwiegersohn Michael, am Dome mitarbeitete, ist aus den Rechnungen nicht zu entnehmen; die Namen Johann und Michael kommen allerdings vor, jedoch ohne jede nähere Bezeichnung. Die Rechnungen sind unglücklicherweise nur ein Bruchstück, dem Anfang und Ende fehlen, auch scheint gerade in den Jahren, welche sie umfassen, die Bauthätigkeit, vielleicht wegen Mangels an Mitteln, etwas beschränkt gewesen zu sein. Unendlich größere Aufschlüsse würden die Belege über das Einweihungsjahr des Chores (1385) gewähren, als die Arbeiten rasch gefördert wurden und die ganze von Peter herangebildete Schule am Dome beschäftigt war.

Haben wir in den Dombaurechnungen unsern Peter ausschließlich als thätigen Meister zwischen seinen Gesellen kennen gelernt, so gestattet das Hradschiner Stadtbuch manchen Einblick in seine Häuslichkeit. Dieses Buch, ein reicher ebenfalls auf Papier geschriebener Aktenfascikel, befindet sich dermalen im Archive des Prager Rathhauses und ist betitelt: liber judiciorum bannitorum civitatis Hradeczanensis. – Das Manuskript umfaßt die Jahre von 1350 bis 1395, und enthält die manigfaltigsten Verhandlungen, Käufe, Verträge, Erbschaftsangelegenheiten u. s. w., wie sie in Magistraturen vorzukommen pflegen. Mikowec, der durch Herausgabe des Werkes „Alterthümer und Denkwürdigkeiten von Böhmen“ bekannte Schriftsteller, veröffentlichte 1847 in der böhmischen Zeitschrift Kwéty aus diesem kurz vorher von W. W. Tomek entdeckten Stadtbuche einige den Meister Peter betreffende Nachrichten, in denen er vor allem den Beweis zu liefern suchte, daß der Name Arler auf einem Schreibfehler beruhe und eine Korrumpirung des Wortes Parler sei. Seitdem wurde das Hradschiner Gerichtsbuch mehrfach durchforscht und namentlich die unsern Peter betreffenden Nachrichten gewürdigt. Da das Buch größtentheils Protokolle und notarielle Verhandlungen enthält, beziehen sich die den Dombaumeister und seine Familie betreffenden Nachrichten zumeist auf Ankäufe von Häusern, Auseinandersetzungen zwischen den aus zwei Ehen stammenden Kindern u. dgl. – Der Name Parler wird zum erstenmal genannt im Jahre 1360 gelegenheitlich der Erwerbung eines Hauses auf dem Hradschin, welches Peter längere Zeit hindurch bewohnte. In diesem Jahre erscheint er auch unter den Rathsmitgliedern des Hradschin und bekleidet die Stelle eines ersten Schöffen bis 1368. Darauf enthält das Buch einige Jahre hindurch keine hieher bezügliche Stelle, bis die heranwachsenden Kinder allerlei Familienverträge nothwendig machen. Zuerst wird Nikolaus, wahrscheinlich Peter’s ältester Sohn, in einer Kaufsangelegenheit neben seinem Vater genannt, dann folgen verschiedene Auseinandersetzungen zwischen dem Dombaumeister und seiner zweiten Gattin. Besonders häufig kommen die Namen des Meisters und fast aller Familienglieder in den Jahren 1380–1383 vor, als der Sohn Johann und seine Schwester heirateten. Die letzte im Hradschiner Stadtbuche enthaltene Nachricht über die Familie Parler rührt aus dem Jahre 1388 her, und bestätigt einen Hausverkauf, welchen die drei Söhne Niklas, Johann und Wenzel gemeinschaftlich


  1. Das Schock Prager Groschen galt unter Kaiser Karl IV. gleich einer feinen Mark, nemlich 20 fl. Konventions-Münze oder 24 fl. rheinisch. Die ganze Bausumme betrug also gegen 67070 Gulden Konv.-Münze.
Empfohlene Zitierweise:
Bernhard Grueber: Peter von Gmünd genannt Parler. In: Württembergische Vierteljahrshefte für Landesgeschichte. Jahrgang I.. H. Lindemann, Stuttgart 1878, Seite 193. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:WuerttVjhhLG_Jhg_01.djvu/209&oldid=- (Version vom 1.8.2018)