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Bernhard Grueber: Peter von Gmünd genannt Parler. In: Württembergische Vierteljahrshefte für Landesgeschichte. Jahrgang I.

in der Folge nach Brünn, wo er im Dienste des Markgrafen Jodok von Mähren einen ausgebreiteten Wirkungskreis fand. Dieser stellte sich anno 1387 als Bevollmächtigter seiner Frau in Köln ein, um ein Haus und eine Geldrente, welche dieselbe dort besaß, zu veräußern. In dieser Angelegenheit, welche gerichtlich ausgetragen wurde, erscheint Heinrich als: „Magister Heinricus de gemünden, lapicida et familiaris Illustris principis Domini Nostri Marchionis Moravie,“ mithin als Beamter des Hauses Luxemburg.

Durch welchen Bau die Berufung Heinrich’s an den Hof zu Brünn veranlaßt worden ist, konnte bisher auf geschichtlichem Wege nicht ermittelt werden; doch ergibt sich aus sehr vielen Steinmetzzeichen wie aus der vorwaltenden Stylverwandtschaft, daß die S. Jakobskirche in Brünn die Ursache war. Dieses wenig bekannte Denkmal darf unbedingt den vorzüglichsten deutschen Schöpfungen des XIV. Jahrhunderts beigezählt werden, ist in allen seinen Theilen vollständig erhalten und verdient als östlicher Grenzstein der schwäbischen Bauschule die vollste Beachtung. Die Kirche ist eine prachtvolle Halle mit drei gleich hohen Schiffen und Umgang. Neun reichgegliederte Pfeiler, auf jeder Seite, tragen ein künstliches Netzgewölb, dessen Vollendung jedoch einer späteren Zeit angehört. Der Bau wurde zwar schon im Anfange des Jahrhunderts gegründet, scheint aber lange geruht zu haben, bis sich Markgraf Jodok die Förderung angelegen sein ließ, daher auch die Masse des Gebäudes der Regierungszeit Jodok’s, 1378–1411, angehört. Der Chor zeigt deutliche Reminiscenzen an die Bauten zu Kuttenberg und Kolin, auch scheint Meister Peter selbst auf die Gestaltung des Ganzen eingewirkt zu haben. Es finden sich in dieser Kirche beinahe alle Steinmetzzeichen der Arler’schen Familie vor, ein Beweis, daß die Angehörigen sich gegenseitig beigestanden sind.

An diesen in Brünn um 1385 wirkenden Heinrich knüpft sich von selbst die Frage, ob wir in ihm nicht den Enrico di Gamondia vor uns haben. Geistreich, thätig, dabei ein Hofmann, scheint er um so eher befähigt gewesen zu sein, in Mailand mit Glanz aufzutreten, als die sämmtlichen Luxemburger Fürsten mit Johann Galeazzo Visconti in gutem Einvernehmen standen und Heinrich wohl von dem Markgrafen Jodok empfohlen worden sein mag. Auf solche Weise ließe sich die Uebersiedlung Heinrich’s nach Mailand und seine dortige Thätigkeit ganz natürlich und ohne gewagte Kombinationen erklären.

Ueber Parler’s Schwiegersohn Michael und dessen Frau findet sich nach 1383 keine fernere Nachricht, wahrscheinlich hat er das damals übernommene Haus verkauft und ist nach Köln in seine Heimat gezogen. Möglich wäre auch, daß er gemeinschaftlich mit seinen Schwägern Wenzel und Paul, vielleicht auch mit Johann’s Sohne (dem Johanek) da und dort thätig war und daß diesen Meistern der Name Jungkherr beigelegt wurde.

Neben den aufgezählten Söhnen, dem Schwiegersohn Michael, dem Neffen Heinrich und wahrscheinlich dem Enkel Johanek, gehören der Schule Peter’s folgende Baumeister an: Peter Schmelzer, welcher 1400 den Bau der Theynkirche leitete und Otto Schaufler, einige Jahre später mit demselben Bau beschäftigt. Nach Johann’s frühzeitigem Tod (er verwaltete das Dombaumeisteramt etwa zehn Jahre lang) erhielt Petrlik, ein aus Parler’s Schule hervorgegangener Meister, die erledigte Stelle, welcher zwischen 1411 bis etwa 1418 den Aufbau des südlichen Domthurmes leitete. Der Steinmetz Johann von Prachatitz, von welchem sich der Entwurf eines Thurmes erhalten hat und der an der Stefanskirche zu Wien arbeitete, darf ebenfalls hieher gezählt werden, weil es in Böhmen keine andere Bauschule gab, als die von Peter Parler geleitete Dombauhütte.

Empfohlene Zitierweise:
Bernhard Grueber: Peter von Gmünd genannt Parler. In: Württembergische Vierteljahrshefte für Landesgeschichte. Jahrgang I.. H. Lindemann, Stuttgart 1878, Seite 147. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:WuerttVjhhLG_Jhg_01.djvu/155&oldid=- (Version vom 1.8.2018)