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Bernhard Grueber: Peter von Gmünd genannt Parler. In: Württembergische Vierteljahrshefte für Landesgeschichte. Jahrgang I.

scheint dieses Bildwerk eher der Nürnberger als der Prager Schule zu entstammen. Zwei skulptirte Knäufe hingegen, die an demselben Portale angebracht sind, verrathen Parler’s Hand oder wenigstens seinen Einfluß. Auf dem Knaufe links neben dem Eingang erblickt man Moses zwischen Engeln, wie er die Gesetzestafeln empfängt, auf dem gegenüberstehenden das Opfer Abraham’s. Die etwa 15 ctm hohen Figuren sind geistreich in großen Linien entworfen und mit sicherer Hand aus Sandstein ausgeführt. Es scheint, daß man gewillt war, an diesem Portal einen Cyklus von typologischen Skulpturen anzuordnen, jedoch nur das Bild in der Lünette und die Knäufe fertig gebracht hat. Der übrige beantragte Figurenschmuck ist, wie deutlich zu erkennen, niemals aufgestellt worden. Sind auch die Chorstühle, von denen die angeführte Dominschrift berichtet, und wahrscheinlich noch manche Werke unseres Meisters bei dem Brande von 1541 unwiderbringlich verloren gegangen, geben doch die noch vorhandenen Steinskulpturen ein glänzendes Zeugniß von seiner Vielseitigkeit und seiner in allen Kunstfächern mit gleichem Geschick sich bewegenden Thätigkeit. Standen ihm auch in vorgerückten Jahren Söhne und tüchtige Gehilfen zur Seite, war es doch sein Geist, der alle belebte, alle heranbildete und zu selbständigem Schaffen aneiferte.

Wir haben indeß noch eine fernere bisher wenig beachtete Seite der Arlerschen Wirksamkeit kennen zu lernen. Im Schatze des Prager Domes befinden sich zwei Reliquienbehälter von Monstranzenform, offenbar Pendants, von denen das eine mit dem Monogramm Peter’s bezeichnet, folglich als dessen Arbeit dokumentirt ist. Unter den vielen mittelalterlichen Monstranzen, welche sich erhalten haben, verdienen diese beiden als mustergiltige Beispiele aufgestellt zu werden; sie stehen unübertroffen und es scheint geradezu unmöglich, für dergleichen Gefäße einfachere und zugleich geschmackvollere Formen zu erdenken.

Bei gleichen Dimensionen und ähnlicher Anordnung wird durch die Beschreibung des mit dem Monogramm versehenen Reliquiars auch das zweite erklärt. Auf einem sechsseitigen mit zarten Arabesken geschmückten Fuße erhebt sich ein schlanker Schaft, welcher durch einen reichverzierten Knauf umzogen wird. Oberhalb dieses Knaufes treten Rippen vor, welche als Träger des höhern Aufbaues dienen und zugleich einen krystallenen Cylinder festhalten, in welchem die Reliquie ruht und der den Mittelpunkt des Ganzen bildet. Auf dem Cylinder steht ein gegossenes rein ciselirtes Heiligenfigürchen, während zur Rechten und Linken der aus Thürmchen und Strebebogen gebildete Aufbau ansteigt und sich über der Figur zu einem schlank aufstrebenden durchbrochenen Baldachin vereint. Die Gesammthöhe der aus vergoldetem Silber gearbeiteten Monstranz beträgt 46 ctm, die Breite in der größten Ausladung am Cylinder 15, am Fuße 12 ctm. Die Kunst, mit Ornamenten weder verschwenderisch noch allzukärglich umzugehen, sondern genau das richtige Maß zu treffen, ist in diesen Gebilden mit bewunderungswürdiger Meisterschaft eingehalten worden. Wahrscheinlich ist, daß das eine dieser Reliquiare von Peter selbst und seiner Familie in eine der Domkapellen gestiftet wurde, vielleicht zur Zeit, als sein Sohn Nikolaus die Priesterweihe erhielt.[1]



  1. Bock beschreibt in den Mittheilungen der k. k. C. Commission XIV. den Domschatz zu Prag rühmend, spricht auch die Vermuthung aus, daß das Reliquiar von Arler herrühre. Dr. Ambros bespricht in seinem Werke „Der Dom zu Prag“ S. 318–319 dasselbe ausführlich und erkennt es nach dem angebrachten Zeichen als eine Arbeit des Peter Arler.
Empfohlene Zitierweise:
Bernhard Grueber: Peter von Gmünd genannt Parler. In: Württembergische Vierteljahrshefte für Landesgeschichte. Jahrgang I.. H. Lindemann, Stuttgart 1878, Seite 142. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:WuerttVjhhLG_Jhg_01.djvu/150&oldid=- (Version vom 1.8.2018)