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Bernhard Grueber: Peter von Gmünd genannt Parler. In: Württembergische Vierteljahrshefte für Landesgeschichte. Jahrgang I.

Beinahe gleichzeitig mit Ausführung der obigen Büsten wurde in der Dombauhütte eine zweite Reihe von Skulpturwerken gefördert, nemlich die Grabmäler für die altböhmischen Fürsten, deren Leichname in den Jahren 1373–1374 auf Befehl des Kaisers aus der alten Domkirche in die Chorkapellen des neuen Domes übertragen wurden. Der damalige Domherr und Dombaudirektor Benedikt Krabice von Weitmühl gibt über diese unter seiner Leitung ausgeführte Uebertragung so umständlichen Bericht, das die Anfertigungszeit der Denkmale vollkommen sichergestellt wird. Es sind deren gegenwärtig noch sechs vorhanden, nemlich die Grabsteine der Herzoge Bretislaw I. und seines Sohnes Spytihniew, der Herzoge Bretislaw II. und Boriwoi II. und der Könige Ottokar I. und Ottokar II. – Alle diese Denkmale sind Hochgräber, sogenannte Tumben: obenauf liegt eine 8 Fuß lange, 3½ Fuß breite Deckplatte, auf welcher der hier Ruhende in ganzer lebensgroßer Figur dargestellt ist, wobei die Häupter je auf Polstern und die Füße auf Löwen ruhen. An den einfach rechteckigen Sockeln sind nur die böhmischen Wappen, aber weder Embleme noch Verzierungen angebracht; die Grabschriften stehen oberhalb an den Kapellenwänden. Die Figuren zeigen in Bezug auf Stellung und Tracht beinahe gar keine Abwechslung; alle tragen Harnische und Panzerhemden und wurden ziemlich schablonenmäßig unter Parler’s Leitung von Schülern und Hilfsarbeitern gefertigt. Eine Ausnahme macht nur die Heldengestalt Ottokars II., welche, wenn nicht ganz, doch in der Hauptsache vom Meister selbst ausgearbeitet wurde. Der edle König, von den Zeitgenossen der Goldene genannt, dessen Gerechtigkeit, glänzende Begabung, Tapferkeit und Milde von Feind und Freund gleich sehr bewundert wurden, liegt da so grimmig und todesmuthig, wie er am 26. August 1278 ausgesehen haben mochte, als er in der Schlacht auf dem Marchfelde unter den Dolchstichen, welche ihm seine treulosen eigenen Barone beigebracht hatten, verblutete. Verstümmelt wie die Königsleiche ist auch sein Abbild, man sieht deutlich, daß die Nase und der rechte Arm gewaltthätig mit einer Hacke abgeschlagen wurden. Der Bericht Hajeks, daß die Hussiten, wenn sie steinerne nicht leicht zerstörbare Bildwerke antrafen, denselben wenigstens Augen und Nasen abschlugen, erhält durch dieses Denkmal volle Bestätigung. Trotz aller Beschädigungen läßt sich noch immer erkennen, daß die Gestalt Ottokar’s ungleich geistreicher aufgefaßt und durchgebildet war, als die übrigen Figuren.

An die Fürstengräber reihen sich einige mit Reliefdarstellungen versehene Altartische an, welche erst in neuerer Zeit wieder an’s Licht gebracht worden sind: sie bestehen aus rothem Marmor, fleißige derselben Schule angehörende Arbeiten, welche darthun, daß man um 1360 anfing den bei dem Dorfe Slivenecz unweit Prag vorkommenden Marmor zu benützen. Der Aelteste dieser Altartische wurde von Herzog Rudolf von Sachsen, dem Schwiegersohne des Kaisers Karl IV. gestiftet und um obige Zeit ausgeführt. An der Frontseite erblickt man ein Votivbild, den Herzog vor der Himmelskönigin knieend, daneben die sächsischen Wappen, das Ganze von gothischen Maßwerken umrahmt. Die Anordnung bewegt sich in dem herkömmlichen Geleise und unterscheidet sich nicht von ähnlichen in Wien, Breslau und Nürnberg vorkommenden Bildwerken: die Technik läßt erkennen, daß man mit der Marmorarbeit noch nicht genügend vertraut war.

Dagegen zeigt das bald nach 1380 aus weißem Marmor hergestellte Grabmal des Erzbischofs und Kardinals Oczko von Wlaschim eine vollständige Beherrschung des Materiales. Die Tumbenform ist auch an diesem Denkmale eingehalten: auf der Deckplatte ruht die beinahe ganz rund ausgearbeitete Figur des Verblichenen, bis ins kleinste Detail eine treue Naturstudie. Das vornehme und doch wohlwollende

Empfohlene Zitierweise:
Bernhard Grueber: Peter von Gmünd genannt Parler. In: Württembergische Vierteljahrshefte für Landesgeschichte. Jahrgang I.. H. Lindemann, Stuttgart 1878, Seite 140. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:WuerttVjhhLG_Jhg_01.djvu/148&oldid=- (Version vom 1.8.2018)