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Bernhard Grueber: Peter von Gmünd genannt Parler. In: Württembergische Vierteljahrshefte für Landesgeschichte. Jahrgang I.

Bei der großen Anzahl von Bildnissen ist selbstverständlich, daß nicht alle mit gleicher Vollkommenheit durchgeführt sind und namentlich die Porträts jener Personen, die der Künstler nicht durch eigene Anschauung kennen gelernt hat, folglich nach Münzen oder unzureichenden Hilfsmitteln fertigen mußte, eine minder feine Modellirung zeigen. Unter den Männerköpfen zeichnen sich durch geistreiche Auffassung und vollendete Technik aus die Büsten des Kaisers Karl und seines Bruders Wenzel von Luxemburg, ferner das Bild des Erzbischofs Ernest, der Dombaudirektoren Kotlik und Radecz und das Eigenporträt des Künstlers. Die Frauenbildnisse, welche sämmtlich der Regentenfamilie angehören, können durchgehend als gelungen bezeichnet werden und selbst die Büste der bereits 1330 verstorbenen Königin Elisabeth entspricht den vorhandenen Beschreibungen. Dabei ist Blanca von Valois als elegante Französin trefflich charakterisirt, während die schöne durch ihren Briefwechsel mit dem Papste und mit Petrarca berühmte Anna von Schweidnitz auch im Bilde als geistreiche deutsche Frau erscheint. Die konventionell mittelalterliche Behandlung ist in vielen dieser Bildwerke ganz abgestreift, würden nicht Bemalung, Oertlichkeit und zahlreiche Beschädigungen an längstverflossene Jahrhunderte erinnern, wäre man versucht, hier vorzügliche Leistungen der modernen Kunst zu erblicken. Besonders hervorzuheben ist die Behandlung der Haare, welche der Künstler in jeder Form, ob lockig, schlicht anliegend oder in Wellenlinien herabfließend, naturgemäß und mit Geschmack anzuordnen verstand.

Ueber den Zeitpunkt, wann diese sowohl in historischer wie künstlerischer Hinsicht wichtige in ihrer Art einzige Gallerie beschlossen und aufgestellt wurde, sind die Meinungen getheilt: der Augenschein lehrt, daß die Ausführung mehrere Jahre erforderte. Den Auftrag scheint der Kaiser bald nach Vollendung der Wenzelskapelle gegeben zu haben, als man im Jahre 1366 den Oberbau begann und das Triforium anlegte. Die Bildnisse des Königs Johann und des Kaisers sammt deren Gemahlinen, welche die drei Mittelseiten des Chorpolygons einnehmen, wurden etwa um 1370 aufgestellt, welche Annahme durch das noch jugendliche Aeußere der damals regierenden Kaiserin Elisabeth Bestätigung erhält. Für die weitern Fortschritte der Unternehmung ist vor allen das Porträt des Königs Wenzel aufschlußgebend, dessen Gesichtsbildung das glückliche Alter von vierzehn bis fünfzehn Jahren verräth. Da Wenzel im Jahre 1361 am 26. Februar geboren wurde, kann das Bild nur zwischen 1375—1376 gefertigt worden sein. Die Vollendung des Bildercyklus wird durch die Büste des Erzbischofs Johann von Jenstein als des jüngsten im Kreise genau bezeichnet. Der durch seine langwierigen und folgenschweren Streitigkeiten mit dem Könige bekannte Kirchenfürst zeigt in der Gallerie noch eine heitere Miene und hat das Ansehen eines lebenslustigen jungen Mannes, als welcher sich Jenstein im Anfange seiner erzbischöflichen Regierung kund gab. Da der Domchor 1385 eingeweiht und diese Feierlichkeit durch den Erzbischof Johann von Jenstein vollzogen wurde, ist augenscheinlich, daß man bemüht war, bis zu der anberaumten Zeit das ganze Innere, folglich auch die Porträtgallerie, fertig zu bringen. Nach erfolgter Einweihung brach der Streit zwischen König und Erzbischof aufs neue aus und wurde mit äußerster Bitterkeit fortgeführt, bis Letzterer im Jahr 1396 auf seine Würde resignirte. Durch die aufgezählten Data wird der Zeitraum genau begrenzt, innerhalb dessen die Porträtgallerie zu Stand gebracht wurde: vor 1368 war der Bau nicht so weit vorgerückt, daß ein Bild aufgestellt werden konnte, spätestens im Frühling 1385 wurde mit dem Bildnisse Jenstein’s die Aufstellung abgeschlossen.

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Bernhard Grueber: Peter von Gmünd genannt Parler. In: Württembergische Vierteljahrshefte für Landesgeschichte. Jahrgang I.. H. Lindemann, Stuttgart 1878, Seite 139. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:WuerttVjhhLG_Jhg_01.djvu/147&oldid=- (Version vom 1.8.2018)