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Bernhard Grueber: Peter von Gmünd genannt Parler. In: Württembergische Vierteljahrshefte für Landesgeschichte. Jahrgang I.

1730 bis 1740 im Geschmacke damaliger Zeit durchgeführte Restauration zu erdulden hatte, blieben dennoch in Folge der außerordentlich soliden Konstruktion Chor und Kuppel in der Hauptsache erhalten. Die in ihrer Art einzige Kuppel ist nach dem Halbkreise konstruirt und hält im geraden Durchmesser 72 Wiener Fuß (= 22,80 Meter) in der Diagonale 78 Fuß ein. Die Höhe der Wölbung beträgt im Scheitel 60 Fuß, wobei die Umfassungsmauern nur 31/4 Fuß stark sind, aber an den Ecken durch kräftige 6 Fuß weit vorspringende Strebepfeiler unterstützt werden. Reich gegliederte Rippen, welche sich aus Eckdiensten zu einem prachtvollen Sterne entwickeln, bilden ein unabhängiges Gerüste, zwischen welches die Gewölbefelder eingefügt sind. Bei näherer Betrachtung stellt sich heraus, daß dasselbe Gewölbe, welches wir in der Wenzelskapelle kennen gelernt haben, hier mit geringen Abänderungen im Großen durchgeführt worden ist.

Auch die Einzelheiten, die Gliederungen und Kapitäle der Dienste, die Gewandstücke an dem Triumphbogen, dann der noch wohlerhaltene nördliche Kircheneingang tragen vollständig das Gepräge der in obiger Kapelle entwickelten Architektur, während die Stab- und Maßwerke der Fenster als plumpe, im vorigen Jahrhundert gefertigte Nachahmungen gothischer Vorbilder erscheinen. Welche Gestalt der äußere Aufbau und das Dachwerk hatte, ist unbekannt; wahrscheinlich erhoben sich über dem Dachgesimse durchbrochene Giebel und Gallerien und stieg das Dach pyramidalförmig an, im Mittelpunkte durch ein Sanctusthürmchen bekrönt. Die gegenwärtige Bedachung ist im höchsten Grade formlos und wurde erst um 1770 aufgestellt, dann im gegenwärtigen Jahrhundert nochmal erneuert.

Fragt man nach dem Urheber dieses merkwürdigen Gebäudes, so liegt unbegreiflicher Weise eine gleichzeitige Urkunde nicht vor, obwohl in der Geschichte des Kaisers Karl IV. ausführlich erzählt wird, daß derselbe bei Gelegenheit der Kircheneinweihung auf der Klosterterrasse ein glänzendes Gastmahl gegeben und nach der Tafel das sämmtliche aus der kaiserlichen Residenz herübergeholte silberne Tischzeug dem Prälaten, der sich mit einer balbverblümten Bettelei einzuschmeicheln verstanden, geschenkt habe. [Dergleichen Anekdoten der Nachwelt zu überliefern, war die Geistlichkeit, der einzige Stand, welcher sich im Laufe des XIII. und XIV. Jahrhunderts mit Geschichtschreibung befaßte, stets bereit; aber den Namen eines dem Laienstande angehörenden Künstlers oder Gelehrten zu verzeichnen, fand man nicht der Mühe werth.] Die späteren Schriftsteller Lupacius, Dobrowsky und Schaller sprechen sich zwar mit Einhelligkeit dahin aus, daß Peter von Gmünd die Karlshofer Kirche erbaut habe, ohne jedoch eine Quelle anzugeben. Darüber, daß wir hier ein Werk des genannten Meisters vor uns haben, kann kein Zweifel obwalten, schon aus dem einen Grunde, weil die Baukosten ausschließlich vom Kaiser bestritten wurden und dieser, wie es in Kolin und bei der Allerheiligenkirche der Fall war, dergleichen Arbeiten jedesmal dem Dombaumeister zu übertragen pflegte. Dann fällt die mittlere Bauzeit ganz in jene Periode, als Peter seine größte Thätigkeit entfaltete, nemlich 1375–1390. In der Dominschrift wird dieser wie der Kuttenberger Kirchenbau deshalb nicht angeführt, weil die Inschrift schon vor Vollendung der fraglichen Bauwerke verfaßt worden ist. Abgesehen von zahlreichen archäologischen Beweisen, von der gleichen Detailbildung an allen von Parler ausgeführten Bauten, abgesehen davon, daß die Spannweite der Prager-Brückenbogen mit dem Durchmesser der Karlshofer Kirche übereinstimmt, besitzen wir noch in den Steinmetzzeichen eine unmittelbare Bestätigung, daß der Obertheil des Domes, die Brücke und Brückenthürme, die Allerheiligen- und die Karlshoferkirche von den in der Dombauhütte herangebildeten Werkleuten ausgeführt worden sind. An diesen sämmtlichen

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Bernhard Grueber: Peter von Gmünd genannt Parler. In: Württembergische Vierteljahrshefte für Landesgeschichte. Jahrgang I.. H. Lindemann, Stuttgart 1878, Seite 76. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:WuerttVjhhLG_Jhg_01.djvu/084&oldid=- (Version vom 1.8.2018)