Seite:WuerttVjhhLG Jhg 01.djvu/082

Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
Bernhard Grueber: Peter von Gmünd genannt Parler. In: Württembergische Vierteljahrshefte für Landesgeschichte. Jahrgang I.

sollte das Querhaus mit Entschiedenheit über die Nebenschiffe vortreten. Ob jedoch das Langhaus ursprünglich als ein fünfschiffiges projektirt war, läßt sich nicht behaupten, da dieser Theil schon in den ersten Baujahren allerlei Umänderungen erfahren hat.

Nach einem im Jahre 1675 durch den Chronisten Korschinek veröffentlichten und in Kupfer gestochenen Plane, welcher offenbar einem damals noch vorhandenen Originalrisse nachgebildet worden ist, war die ganze Kirchenlänge mit 320 Wiener Fuß angenommen und sollte das Langhaus vierzehn gerade Joche enthalten. Ueber den Frontbau und die Thurmstellung läßt uns der Plan Korschineks im Unklaren, es scheint als sei anfänglich auf keinen Hauptthurm angetragen worden, wie dieses auch an den Kirchen zu Gmünd und Kolin der Fall war; die Konstruktion des Chores aber ist im Plane richtig verzeichnet und frei von den Unregelmäßigkeiten, welche sich während der Ausführung eingeschlichen haben.

Der hohe Chor ist aus fünf Seiten des Neunecks, jedoch nicht ganz regelmäßig, beschrieben, indem zwischen dem Polygon und dem Langhause auf jeder Seite noch eine willkürliche Verlängerung eingeschaltet wurde, so daß in Wirklichkeit ein siebenseitiger Abschluß entstanden ist. Diese sieben Seiten setzen im Kapellenkranze durch eine ähnliche Verdopplung, wie wir sie in Kolin kennen gelernt haben, in die Hälfte des Sechzehnecks um, so daß acht Kapellen angeordnet sind, folglich ein Kapellenpfeiler in das Mittel der Kirche zu stehen kommt. Dieselbe Art des Chor- und Kapellenschlusses und sogar die gleichen Verhältnisse der Kapellen finden sich in Kolin wie in Kuttenberg und der Unterschied beider Chöre besteht nur darin, daß in Kolin ein dem innern Polygon angehörender Pfeiler in das Kirchenmittel gerückt wurde, in Kuttenberg aber ein Pfeiler des Kapellenkranzes. (Vergl. die unserer Abhandlung beigefügten Grundrisse der Kirchen von Gmünd, Kolin und Kuttenberg.) Auch die Maßwerke und Profilirungen der Schiffspfeiler und Fenstereinfassungen der beiden Kirchen stimmen so sehr überein, daß es scheint, man habe hier und dort manchmal die gleichen Schablonen gebraucht.

Sprechen alle diese Thatsachen dafür, daß nur unser Meister den ersten Entwurf der Barbarakirche gefertigt habe, so treten noch verschiedene Umstände hinzu, welche diese archäologisch begründeten Annahmen zur vollen Gewißheit machen. Im Jahre 1378 war der Chorbau zu Kolin vollendet worden, welcher im ganzen Lande den ungetheiltesten Beifall fand. Nun liegt Kolin nur eine kleine Meile von Kuttenberg entfernt und die beiderseitigen Einwohner unterhielten von je mit einander den regsten Verkehr; es konnte daher nicht fehlen, daß Peter mit den angesehensten Bürgern und Rathsmitgliedern letzterer Stadt bekannt und befreundet wurde. Bei dieser Gelegenheit scheint es geschehen zu sein, daß der Zweitälteste Sohn des Dombaumeisters sich mit der Witwe eines reichen Kuttenberger Gewerken verlobte und dieselbe heiratete. Durch diese Heirat war die Familie Parler mit den angesehensten und einflußreichsten Personen Kuttenbergs in Verwandtschaft gerathen, was in jener Zeit unendlich mehr zu bedeuten hatte, als in unserer Gegenwart. Rechnet man hinzu, daß in Böhmen kein Baumeister lebte der auch nur im entferntesten dem Peter zur Seite gestellt werden konnte, daß er sowohl beim Kaiser Karl wie bei seinem Nachfolger dem König Wenzel in hohem Ansehen stand und außerdem sehr unternehmend war, so ist der vollgiltigste Beweis für die Urheberschaft der Barbarakirche geliefert.

Die S. Barbarakirche theilte das Schicksal des Prager Domes, sie blieb unvollendet. Wahrscheinlich wurde sie nach dem ersten Plane in ihrer ganzen Länge angelegt; jedoch sollten von den vierzehn projektirten Jochen des Langhauses nur sieben bis zur Höhe der die Nebenschiffe bekrönenden Gallerie aufgeführt werden,

Empfohlene Zitierweise:
Bernhard Grueber: Peter von Gmünd genannt Parler. In: Württembergische Vierteljahrshefte für Landesgeschichte. Jahrgang I.. H. Lindemann, Stuttgart 1878, Seite 74. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:WuerttVjhhLG_Jhg_01.djvu/082&oldid=- (Version vom 1.8.2018)