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Bernhard Grueber: Peter von Gmünd genannt Parler. In: Württembergische Vierteljahrshefte für Landesgeschichte. Jahrgang I.

Auch über die spätere Bauführung von 1378 bis zu der Choreinweihung (1385) liegen zahlreiche Nachrichten vor, obgleich die Rechnungsbücher bisher nicht aufgefunden worden sind. Ueber die Zwischenzeit von der Einweihung bis zu der im Jahre 1392 vollzogenen Grundsteinlegung des Domschiffes (Langhauses) sind wir nicht aufgeklärt; die Bauthätigkeit ruhte in keinem Falle, es wurden die Ausstattungsarbeiten fortgesetzt und Vorrichtungen für den Bau des Langhauses getroffen. Dieses wurde auch nach Peters Planen zwischen 1392 bis 1400 in seinem ganzen Umfange angelegt und bis etwa zur Höhe der Nebenschiffe aufgeführt. Die ursprünglich projektirte Anzahl von sechs Arkadenpfeilern zwischen Querhaus und Westfronte scheint der Meister beibehalten, die beiden Thürme aber nicht an die Frontseite, sondern an die Abschlußlinie des Querhauses, also in die Mitte der Kirchenlänge, verlegt zu haben. Ob diese nicht gehörig motivirte Thurmstellung durch ein Machtwort des Königs Wenzel IV. hervorgerufen worden sei, oder ob Peter eine Annäherung an die heimische Kreuzkirche beabsichtigte, läßt sich nicht entscheiden; ausgeführt wurden die Thürme erst nach dem Tode des Meisters, der südliche etwa um 1410, der nördliche vielleicht erst nach den Hussitenkriegen. Von dieser ganzen Anlage ist nur der Unterbau des südlichen Thurmes auf uns gekommen und zwar in sehr entstellter Weise, weil eine furchtbare im Jahr 1541 ausgebrochene Feuersbrunst, welche die ganze Kleinseite sammt dem Hradschin in Asche legte, auch das Domgebäude schwer beschädigte. Der Brand ergriff das damals noch über dem Langhaus bestehende hölzerne Nothdach mit den Baugerüsten, durch welche Massen von Holzmaterial die Glut eine solche Intensität erreichte, daß die nach 1392 ausgeführten Partien des Schiffes, die Umfassungswände, Pfeiler und auch die Thürme größtentheils zerstört wurden. Man mochte bei diesen Bauführungen wohl den bekannten Prager Mergelstein, welcher dem Feuer nicht widersteht, benützt haben. Auch der vollendete und durch eine provisorische Mauer abgeschlossene Chor wurde von den Flammen erfaßt, es brannte der Dachstuhl ab und schlug im Zusammenstürzen das Gewölbe des Mittelschiffes durch, worauf das Feuer sich im Innern verbreitete und nebst der Orgel und vielen Altären auch die von Meister Peter geschnitzten Chorstühle vernichtete.

Kaiser Ferdinand I., welcher sich die Instandsetzung des Domes sehr angelegen sein ließ, beauftragte die Hofbaumeister Wohlgemuth und Hans Tirol mit der Restauration, welche jedoch nur auf den Chorbau beschränkt blieb und in nichtsweniger als stilgemäßer Weise durchgeführt wurde. Den südlichen Thurm hat Wohlgemuth um etwa 80 Fuß abtragen und dann mit einer zwiebelförmigen Haube eindecken lassen, wobei die Außenseiten gründlich überarbeitet wurden. Auch das gegenwärtig im Mittelschiff befindliche Gewölbe ist nicht mehr das ursprüngliche von Parler aufgestellte, sondern ein Werk der Restauratoren. Im Jahre 1561 scheint der Kaiser an der beabsichtigten Vollendung des Ganzen verzweifelt zu sein, er gab daher den ausdrücklichen Befehl, die Reste des Schiffes und des nördlichen Thurmes zu demoliren und den Platz vor dem Chore abzuebnen, was auch geschehen ist.

Ueber die Art und Weise, wie Parler das Schiff in seinen Einzelheiten auszuführen gedachte und zum Theil ausgeführt hat, lassen sich nur Vermuthungen aufstellen; nach den beiden vollendeten Pfeilern an der Vierung zu schließen, beabsichtigte er eine kräftigere Formengebung einzuhalten, als er sie im Chore nothgedrungener Weise befolgen mußte.

Als Architekt zeichnete sich Peter durch ein seltenes Konstruktionstalent aus, wie sich schon aus seinem Brückenbau entnehmen läßt. Zu den kühnsten Konstruktionen, welche je ausgeführt wurden, gehört unbestritten die Anordnung,

Empfohlene Zitierweise:
Bernhard Grueber: Peter von Gmünd genannt Parler. In: Württembergische Vierteljahrshefte für Landesgeschichte. Jahrgang I.. H. Lindemann, Stuttgart 1878, Seite 71. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:WuerttVjhhLG_Jhg_01.djvu/079&oldid=- (Version vom 1.8.2018)