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Bernhard Grueber: Peter von Gmünd genannt Parler. In: Württembergische Vierteljahrshefte für Landesgeschichte. Jahrgang I.

durch Bretterwände von den geweihten und dem Gottesdienst überwiesenen Räumen abgesondert, eine bei allen großen Dombauten übliche Anordnung. In den Jahren 1362–1364 wurde die Nordseite mit der Sakristei und nebenan befindlichen Sigismundkapelle der Vollendung zugeführt, worauf im folgenden Jahre der ganze Chor in seinem untern Geschosse durch Ausführung der an der Südseite gelegenen Wenzelskapelle den gewünschten Abschluß fand.

Die Wenzelskapelle bildet, obwohl sie in den Dom hineingerückt ist, ein durchaus unabhängiges, mit diesem nicht organisch verbundenes Gebäude, welches in mehr als einer Hinsicht eine nähere Beschreibung erfordert. Der Grundriß zeigt ein reguläres Quadrat von 34 Fuß Durchmesser; an jeder Wand treten zwei sehr zierlich gegliederte Pilaster vor, aus denen sich die Rippen eines eben so originellen wie eleganten Sterngewölbes entwickeln. Die Höhe der Kapelle beträgt 45 Fuß, indem der durch die Rippen beschriebene Bogen sich nur unmerklich über den Halbkreis erhebt. Die Konstruktion zeigt einen eigenthümlichen Uebergang vom gothischen Kreuzgewölbe zu der Kuppel. Da in den Ecken keine Pilaster stehen, gestalten sich hier hängende Zwickel und entspringt das Gewölbe in Form eines sogenannten achteckigen Drudenfußes aus den Wandflächen. Ein kräftiges an der Unterseite mit Zierbogen eingesäumtes Horizontalgesimse umzieht in der Höhe von 10 Fuß den ganzen Raum und wird von den Pilastern durchsetzt, wodurch jede Wand in drei obere und eben so viele untere Felder zerlegt wird. Sowohl die oberen wie unteren Wandflächen sind mit Gemälden ausgestattet: oberhalb wird in einem fortlaufenden Cyklus die Lebensgeschichte des heiligen Wenzel illustrirt, welche Bilder jedoch nicht mehr die ursprünglichen sind. Die unterhalb des Gurtgesimses befindlichen Malereien sind zwar arg überpinselt worden, aber in der Hauptsache unverändert geblieben und gehören zu den merkwürdigsten Kunstwerken des vierzehnten Jahrhunderts. Es ist hier in elf Bildern das Leiden Christi dargestellt, vom Oelberge an bis zur Ausgießung des h. Geistes. Eines der Gemälde ist von besonderer Wichtigkeit für die Baugeschichte, nemlich die Kreuzigung: zur Rechten und Linken neben dem Kreuze sind Kaiser Karl und seine dritte Gemahlin Anna von Schweidnitz in betender Stellung angebracht. Daß in dem Frauenbildnisse wirklich Anna von Schweidnitz dargestellt sei, hat der Maler ausgedrückt, indem er die beiden früheren Kaiserinnen nebenan als Verstorbene anbrachte. Da Anna von Schweidnitz am 11. Juli 1362 starb und die Porträtfigur offenbar nach dem Leben gezeichnet wurde, erhalten wir ein sicheres Datum über die Anfertigung des Bildes oder wenigstens des Kartons.

Nicht minderes Interesse als diese Gemälde nimmt der Hintergrund in Anspruch, auf welchem sie stehen. Anstatt des bei alten Malereien gebräuchlichen Goldgrundes ist hier ein Belege von Edelsteinplatten angeordnet, so zwar daß die einzelnen Stücke nur an einer Seite geschliffen wurden, sonst aber die unregelmäßige Gestalt in welcher sie gewonnen wurden, beibehalten haben. Man sieht die ausgewähltesten Exemplare von Amethysten, Karneolen, Achaten, Chrysoprasen und ähnlichen Gesteinen, darunter Stücke von 40 bis 70 Quadratzoll, in beliebiger Abwechslung so zusammengefügt, wie gewöhnliches Bruchsteinmauerwerk ausgeführt ist. Dabei sind die Mörtelfugen vergoldet und überhaupt Vergoldungen im reichsten Maße angebracht, was im Verein mit der polychromen Ausstattung und dem Glanz der Edelsteine einen zauberhaften Eindruck hervorruft. Aber nicht allein durch kostbare Gesteine, Gold und Farbenpracht zeichnet sich diese Kapelle aus, sondern auch durch Adel der architektonischen Formen; sie darf unbedingt den erhabensten Werken deutscher Kunst angereiht werden. In Bezug auf die Edelsteinverkleidung,

Empfohlene Zitierweise:
Bernhard Grueber: Peter von Gmünd genannt Parler. In: Württembergische Vierteljahrshefte für Landesgeschichte. Jahrgang I.. H. Lindemann, Stuttgart 1878, Seite 69. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:WuerttVjhhLG_Jhg_01.djvu/077&oldid=- (Version vom 1.8.2018)