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Bernhard Grueber: Peter von Gmünd genannt Parler. In: Württembergische Vierteljahrshefte für Landesgeschichte. Jahrgang I.

die Breite der Fahrbahn zwischen den Geländersteinen wechselt zwischen 31 bis 35 Fuß. Zwischen den Brückenthürmen bestehen 15 Bogenöffnungen, denen sich noch ein besonderer Bogen über den Mühlkanal anreiht. Die Bogen sind Kreissegmente, welche sich in der Mitte der Brücke beinahe bis zum vollen Halbkreise erheben und gegen außen hin in dem Maße, als die Fahrbahn nach beiden Seiten sinkt, flacher werden. Die Spannweite der einzelnen Bogen ist zwar nicht ganz gleich, kommt aber dem vermittelten Maße von 72 Fuß nahe, wobei die Joche regelmäßig eine Breite von 30 Fuß einhalten und mit spitzigen aus dem gleichseitigen Dreiecke konstruirten Vorhäuptern versehen sind. Sehr bemerkenswerth sind die Gewölbsteine, welche zwar alle gleiche Höhen- aber ganz verschiedene Breitenmaße einhalten: sie ziehen sich in zwei Lagen übereinander hin, von denen die untere Lage, nemlich die der Laibungsteine, 29 Zoll, die obere 25 Zoll Wiener Maßes hoch sind.

Es ist in Bezug auf den Meister Heinrich angedeutet worden, daß er wahrscheinlich eines Brückenbaues wegen nach Gmünd berufen worden sei: diese Vermuthung gewinnt an Glaubwürdigkeit durch das Geschick, mit welchem Peter den ungeheuren Brückenbau, und zwar nur als Nebenarbeit, leitete.[1] Kaum war die Brückenangelegenheit, welche in den ersten Jahren sehr rasch gefördert wurde, in Gang gebracht, als im Jahre 1360 ein neuer großartiger Auftrag den Künstler nach Kolin rief. Da jedoch die zu Kolin entwickelte Thätigkeit einen besondern Abschnitt im Leben des Meisters bildet, scheint es zweckmäßig, vorerst den Bericht über die Domarbeiten dem Abschlusse zuzuführen. Bis zum Jahre 1359 waren die sämmtlichen Kapellen des Chorpolygons vollendet worden, in diesem Jahre beschäftigte sich Peter, die erste der in gerader Flucht liegenden Chorkapellen (die sogenannte Annakapelle) auszuführen, in welcher ein vom Burggrafen Burghart von Magdeburg der heiligen Anna gewidmeter Altar aufgestellt wurde. Bis an diese und die gegenüberliegende Kapelle hatte Meister Mathias die Chorpfeiler angelegt, welche auch von seinem Nachfolger Peter genau nach dem ursprünglichen Plane vollendet wurden; bei den übrigen weiter gegen Westen hin aufzustellenden Pfeilern aber fand der neue Bauleiter für gut, den Durchmesser bedeutend zu verstärken und die Grundform nach Art der Chorpfeiler des Kölner Domes zu profiliren. Nun waren zwei fernere Jahre erforderlich, die abgeänderten sechs Pfeiler (drei auf jeder Seite) nebst den beiden das Querhaus begrenzenden Vierungspfeilern und den entsprechenden Wandpartien bis zur Höhe des Triforiums aufzuführen, worauf im Jahre 1360 das Mittelschiff durch eine Schranke, wahrscheinlich einen nicht mehr vorhandenen Lettner in einen größern und einen kleinern Chor abgetheilt wurde.

Von diesem Jahre (1360) an waren die fünf Kapellen des Kranzes und der angrenzende Theil des Mittelschiffes für den allgemeinen Gottesdienst geöffnet und hielten die Domherrn und Mansionäre die kanonischen Stunden im neuen Dome ab, wobei selbstverständlich der Mittelraum durch ein Nothdach gegen Sturm und Regen geschützt war. Die Seitenschiffe, in welchen ruhig fortgebaut wurde, waren


  1. Mehrere Geschichtschreiber, namentlich Hajek, wollen die Grundsteinlegung der Brücke schon in das vorhergehende Jahr 1357 verlegen. Pelzel aber bezeichnet ausdrücklich das Jahr 1358 und wird in seiner Behauptung durch die triftigsten Gründe unterstützt. Da der Kaiser von öffentlichen Festivitäten, Prozessionen, Einweihungen und Grundsteinlegungen ein außerordentlicher Freund war, ist wahrscheinlich, daß bei Anlage zweier innerhalb des Stadtthores befindlicher Kanalbrücken eine frühere Grundsteinlegung stattgefunden habe, folglich beide Angaben begründet sein können. Mit Zurechnung dieser gegenwärtig vermauerten Kanaldurchlässe bestand die Brücke ursprünglich aus achtzehn Jochen.
Empfohlene Zitierweise:
Bernhard Grueber: Peter von Gmünd genannt Parler. In: Württembergische Vierteljahrshefte für Landesgeschichte. Jahrgang I.. H. Lindemann, Stuttgart 1878, Seite 68. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:WuerttVjhhLG_Jhg_01.djvu/076&oldid=- (Version vom 1.8.2018)