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Bernhard Grueber: Peter von Gmünd genannt Parler. In: Württembergische Vierteljahrshefte für Landesgeschichte. Jahrgang I.

ihn nach Mailand führten und dort eine große Rolle spielen ließen, gibt vielleicht das Schlußkapitel einige Auskunft.[1]

Es erübrigt noch, die Kreuzkirche selbst und die an derselben entwickelte Formengebung kennen zu lernen, da nicht allein Peter sondern auch die übrigen Mitglieder der Familie an diesen Formen festgehalten und sie weiter auszubilden gesucht haben.

Die Heilig-Kreuzkirche ist ein dreischiffiger Hallenbau, versehen mit Chorumgang und eingezogenem Kapellenkranz: der hohe Chor, im Innern aus der Hälfte des Sechsecks konstruirt, wird im Umgang mittels eingeschalteter Dreiecke in sieben Seiten des Zwölfecks umgeleitet, ein in Süddeutschland nicht seltener Chorschluß, welcher auch an den beiden Hauptkirchen zu Nürnberg und im verkleinerten Maßstabe an der Marienkirche in Ingolstadt getroffen wird. Strebepfeiler treten am Aeußern der Kapellenrundung nicht vor, die Ecken des Polygons sind nur durch Lisenen ausgezeichnet, während die Mauern des Schiffes durch kräftige Strebepfeiler gestützt werden. Zweiundzwanzig Rundsäulen, elf auf jeder Seite, tragen die Gewölbe, welche gleich einigen Säulen nicht mehr die ursprünglichen sind, sondern einer viel spätern Restauration angehören. Eine mit Thürmen geschmückte Frontseite oder einen Hauptthurm besaß die Kirche nicht, wohl aber bestanden an der Abschlußlinie zwischen Schiff und Chor zwei Neben- oder Treppenthürme, welche in der Nacht des 22. März 1497 aus unbekannten Ursachen einstürzten. Eine am Triumphbogen eingemeißelte Inschrift erzählt dieses Ereignis mit folgenden Worten:

† anno dni. 1497. am Karfreitag zu nacht send zwen thurn an dizem Gotzhaus gefallen. †

Durch dieses Unglück wurden die Wölbungen und Pfeiler des ganzen Hauses so beschädigt, daß das Innere größtentheils erneuert werden mußte, welcher Restaurationsbau in spätgothischer Weise durchgeführt wurde und sich beinahe fünfzig Jahre lang hinzog. Die Außenseiten jedoch und auch der Kapellenkranz sind unversehrt geblieben und zeigen noch die ursprünglichen Formen, so daß sich die Kirche von jedem Standpunkte des ziemlich geräumigen Kirchenplatzes als alterthümliches und zugleich einheitliches Bauwerk präsentirt. Einen durchaus eigenthümlichen Eindruck macht die gegen Westen gerichtete Hauptfaçade, welche in ihrer schlichten Großartigkeit an gleichzeitige lombardische Baudenkmale erinnert, obwohl die Detailformen ganz im Geiste der deutschen Gothik durchgebildet sind. Diese Façade ist augenscheinlich jünger als der Chorbau, gehört aber noch dem vierzehnten Jahrhundert an und wird durch eine rechteckige Mauerfläche von 90 Fuß Breite (mit Inbegriff der schräg vorstehenden Eckstreben) und beinahe gleicher Höhe gebildet. An der Oberseite zieht sich ein durchbrochenes Maßwerkgeländer hin, über welches sich ein steiler mit Füllungen dekorirter Giebel erhebt. Sonst treten über diese ureinfache Fronte nur die mit den Pfeilern des Schiffes korrespondirenden Strebepfeiler vor, welche sich oberhalb des Geländers zu prachtvollen Pyramiden entwickeln und hoch über das Dachgesimse aufsteigen. Die beiden den Seitenschiffen


  1. Heinrich Arler oder Enrico di Gamondia hat eine förmliche Literatur hervorgerufen, an welcher sich deutsche und italienische Forscher betheiligten. Ch. Stieglitz, Boiserée, Kugler, E. Förster, Guilini, Mauch, Springer und andere haben sich mit seiner Lebensgeschichte beschäftigt, ohne daß endgiltige Resultate gewonnen worden wären. Palacky sprach sich in einem an Stälin gerichteten Schreiben dahin aus, daß er den Enrico für einen Sohn des Dombaumeisters Peter halte. Dieses Schreiben wurde in Stälin’s Geschichte von Würtemberg III, 751 veröffentlicht, entbehrt jedoch der Begründung. Die Namen der Söhne Peters sind aufgefunden worden, ein Heinrich kommt nicht vor. Vergl. die beigefügte Stammtafel.
Empfohlene Zitierweise:
Bernhard Grueber: Peter von Gmünd genannt Parler. In: Württembergische Vierteljahrshefte für Landesgeschichte. Jahrgang I.. H. Lindemann, Stuttgart 1878, Seite 11. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:WuerttVjhhLG_Jhg_01.djvu/019&oldid=- (Version vom 1.8.2018)