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Bernhard Grueber: Peter von Gmünd genannt Parler. In: Württembergische Vierteljahrshefte für Landesgeschichte. Jahrgang I.

seiner trefflichen Geschichte Böhmens berichtet, von je in diesem Lande ein beliebtes Geschäft.[1] Auch war es im gegebnen Falle für einen Tschechomanen allzu verlockend, das ursprüngliche C in ein P umzuwandeln und aus colonia (Cöln) ein polonia zu konstruiren, auf daß der Künstlerfamilie slavische Abstammung beigelegt werde. Wenn auch die Tschechen sich der Ausbreitung deutscher Kultur stets feindlich gegenüberstellten, suchten sie doch bei jeder Gelegenheit deutsche Erfindungen als von ihnen gemachte auszugeben und berühmte deutsche Männer zu böhmischen Landeskindern zu stempeln. Es sei hier nur die abenteuerliche von einem gewissen Kuthenus um 1550 erfundene Fabel erwähnt, daß Johann Gutenberg, genannt Gensfleisch, der Erfinder der Buchdruckerkunst, aus Kuttenberg in Böhmen stamme. Auf keinen andern Grund als daß der Städtenamen mit dem Familiennamen übereinstimmte, stützte Kuthen seine Phantasien, welche dem Nationalgefühl nicht wenig schmeichelten und in der Folge mit den mannigfaltigsten Zuthaten ausgestattet wurden, bis im[WS 1] Jahre 1840 ein exaltirter Tscheche herausfand, daß der in Kuttenberg geborene Gutenberg ursprünglich Johann Stiasny geheißen, in Prag studirt und daselbst im sogenannten Faust-Hause gewohnt habe. Nach dem Ausbruche der Hussitenstürme sei er erst nach Straßburg, dann nach Mainz übersiedelt, in welch letzterer Stadt er die göttliche Erfindung gemacht und zur Erinnerung an seine Vaterstadt den Namen Gutenberg angenommen habe. Dieses mit aller geschichtlichen Wahrheit in Widerspruch stehende Märchen fand um so zahlreichere Anhänger und Vertheidiger als es mit plumpen Ausfällen gegen Deutschland untermengt und mit vielen Anekdoten gewürzt war.[2]

Daß auch im Gebiete der Kunstgeschichte ähnliche Vorgänge stattgefunden haben, werden die nachstehenden mit unserer Schilderung in enger Beziehung stehenden Fälle darthun.

Der Meister Theodorich, neben Niklas Wurmser der bedeutendste von den durch Kaiser Karl IV. nach Prag berufenen Malern, kommt bereits 1348 in dem noch erhaltenen Verzeichnisse der Lukasbruderschaft als primus Magister vor, wird 1367 vom Kaiser in den Adelstand erhoben und mit einem Landgute bedacht. Sein Geburtsort ist nicht bekannt und wird weder in dem kaiserlichen Gnadenbriefe noch im Malerverzeichnisse angegeben, doch deuten sowohl der Name Dietrich, wie er gewöhnlich genannt wurde, als der Umstand, daß er nach dem Tode des Kaisers aller Wahrscheinlichkeit nach die S. Veitskirche zu Mühlhausen am Neckar mit Malereien ausgestattet hat, den schwäbischen Ursprung an. Bis zum Jahre 1830 wird dieser Künstler einfach als Theodorich oder Dietrich bezeichnet, bis man plötzlich beliebte dem Namen ein „von Prag“ anzuhängen. Der fleißige Sammler Dlabacz, welcher 1815 sein böhmisches Künsterlexikon herausgab, kennt diese nähere Bezeichnung eben so wenig als Jahn, Schaller, Pelzel und andere im Anfange unseres Jahrhunderts


  1. Dr. L. Schlesinger, Geschichte Böhmens, herausgegeben vom Verein für Geschichte der Deutschen in Böhmen. II. Auflage, Prag 1870. Der Verfasser zählt S. 425 ff. die zahlreichen Fälschungen auf, welche schon um den Beginn des XV. Jahrhunderts ausgeführt wurden, wie unter andern der von Herzog Sobieslaw den Deutschen ertheilte Freiheitsbrief durch einen gefälschten außer Kraft gesetzt werden sollte. Noch bitterer beklagen sich E. Rößler in seinen Rechtsalterthümern, D. Kuh und viele andere Historiker über die in Böhmen fabrizirten Urkunden neuesten Datums.
  2. Geschichtsfreunden, welche sich über die tschechischen Versuche, den Gutenberg als geborenen Böhmen zu erklären, näher zu orientiren wünschen, sei die gründliche mit Angabe aller Quellen versehene Schrift: Böhmen und die Paläotypie, eine kulturhistorische Skizze von A. Zeidler. Prag 1866. bestens empfohlen. Man findet dort den ganzen Verlauf des oberwähnten Märchens von der ersten Vermuthung an bis zu seiner vollständigen Ausbildung.

  1. Vorlage: ihm
Empfohlene Zitierweise:
Bernhard Grueber: Peter von Gmünd genannt Parler. In: Württembergische Vierteljahrshefte für Landesgeschichte. Jahrgang I.. H. Lindemann, Stuttgart 1878, Seite 8. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:WuerttVjhhLG_Jhg_01.djvu/016&oldid=- (Version vom 1.8.2018)