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und so befriedigt über Erde und Himmel mich sterben. Wer will mich verachten, wenn ich so bin; wer getrauet, mich ins Angesicht zu schelten, wenn ich solche Tugend im Busen trage?“

 Dergleichen Stellen finden sich manche in dem Tagebuch des Gymnasiasten. Auch der „selige Herakles aller Tugend Muster und Vorbild“, wird zur Abwechslung einmal apostrophiert und zwischen ihm und Johannes dem Täufer ein Vergleich gezogen.

 Dann begegnet aber auch wieder Lob und Preis des Erlösers, „dessen göttlich Bild an jedem Morgen mit der flammenden Sonne vor ihm heraufschwebt, dessen Milde im Abendroth seinem Blicke so rein und hehr schimmert“. Das Herz will ihm zerspringen vor Jammer, wenn er an des Erlösers heilige Sternennächte denkt, da er für die Menschenkinder Angsttropfen schwitzte. „O Du“, ruft er aus, „in dessen Händen ist niedergelegt alle Macht im Himmel und auf Erden, der Du sprichst: Kommt her zu mir, die ihr mühselig und beladen seid etc., ich will ja kommen, zu Deinen Füßen Weisheit hören. Stärke mich, Mächtiger, lehre mich, großer Meister, mache meine Seele stille, Tröster – meine Burg, mein Fels, mein Hort!“

 Indessen, trotz dieser Unreife seines religiösen Standpunktes war die Wahl eines Lebensberufes für ihn damals bereits eine entschiedene Sache. Die Neigung zum geistlichen Beruf war frühzeitig in ihm hervorgetreten. Die Mutter wünschte gleichfalls, daß ihr Sohn diese Laufbahn ergreife, und der Sohn freute sich schon auf der Schule, dereinst diesen Lieblingswunsch seiner Mutter erfüllen zu können. „Ich will meiner Mutter“, so schrieb er als Gymnasiast, „die Freude machen, so viel als möglich einen vollkommenen Pfarrer an mir zu sehen, da sie diesen Stand so sehr vorzieht.“ In einer heiligen Stunde hat er ihr verheißen, sie werde aus seinen Händen ihr letztes Abendmahl empfangen,