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trauernden Freunde aus dem tiefgefühlten Unglück zur Anbetung, zum Lob und Danke geführt werden können!“ Man sehe nur das Unglück nicht bloß mit halbem oder blinzendem Auge an, man sehe ihm in’s Angesicht, man laße das betrachtende Auge furchtlos auf ihm ruhen, – und wie wird sich das Urtheil ändern! Wie wird das Schicksal unseres August und seiner Eltern ein ganz anderes Angesicht enthüllen! Oft liegt ein Leichnam auf dem Lager mit erblaßter Miene, eiskalter Fühlung. Der oberflächliche Betrachter bebt zurück. Aber der forschen kann, findet es anders. Aus dem feierlichen Ernst der Züge entwickelt sich ein Schein himmlischer Ruhe und Freundlichkeit, ein stolzer Friede thront auf der eiskalten Stirne: wie eine feste, der ganzen Welt widersprechende Behauptung gefundenen, namenlosen Glückes spielt es um den Mund. So ist dies Unglück! Wir beschauen’s, – es wird die grausige Gestalt verlieren; – es wird sich zeigen, daß es vom HErrn kam, daß in’s Weh von seiner eigenen Hand Tropfen seiner süßen Liebe eingemischt wurden, daß der bittern Unglücksstunde weder das Morgenroth der Ewigkeit, noch der Spatregen fehlte, der Spatregen der Gnade, der Seelen für’s ewige Leben reif macht.

 Man wäge nur die Gründe, man höre sie nicht allein!

 Wenn man alle Klagen über diesen Todesfall zusammenfaßen wollte, so könnte man’s mit den Worten thun: „So jung! So plötzlich! So fern! So schrecklich!“ – Man lobt oft den frühen Tod der Kinder um mancherlei Ursachen willen; allein wenn man sich die Frage vorlegt, ob man einem Sohne oder einer Tochter einen christlichen Tod lieber in frühen oder in späten Jahren wünschen soll; so wird die Wahl gewis auf den späten Tod fallen. Es wird kein Mensch in Abrede stellen, daß der späte Tod des Apostels Johannes dem frühen Tode der unschuldigen Kinder von Bethlehem vorzuziehen sei. Selig waren beide Tode, aber der Apostel gieng durch den Tod zu einem hohen