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in dieser Zeit.“ Die Lust an dem, was droben ist in der ewigen Heimath, verschlinge in mir, oder versüße doch alles Gefühl der Unvollkommenheit jedes irdischen Aufenthalts. Durch sie nüchtern geworden von aller Benebelung der Kreatur, himmlischen Sinnes und ewigen Geistes voll, laß mich Kraft und Macht finden, unbefriedigt von allem, doch auch alles wieder nach Würden zu schätzen und mich auf meiner Reise durch die Welt an allen Kreaturen zu freuen, vom Epheu und Ysop bis zur Eiche und bis zur Ceder. Nicht die Wollust am zeitlichen Wesen, sondern der Geist und das Verlangen der Ewigkeit treibe und führe mich; aber laß mich auch davon nicht, wie von einer auszehrenden Heimwehkrankheit ergriffen werden, sondern wie von einer Lebenskraft, ähnlich jener, durch welche der frische Jüngling zur Vollkommenheit des Mannesalters reift. Nicht leben, nicht sterben, sei es auch leben oder sterben in Dir, sondern das Sein in Dir werde meine höchste Freude. In diesem Sinne laß mich frieden- und freudenvoll singen: „Leben wir, so leben wir dem HErrn; sterben wir, so sterben wir dem HErrn; darum wir leben oder wir sterben, so sind wir des

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Wilhelm Löhe: Raphael. U. E. Sebald’sche Verlagsbuchhandlung, Nürnberg 1862, Seite 19. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Wilhelm_L%C3%B6he_-_Raphael.pdf/35&oldid=- (Version vom 17.8.2017)