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mehrten, reisten sie ins Land Sinear, wo sie einen Thurm ungöttlicher Vereinigung bauen wollten, dafür aber innerlich geschieden, und äußerlich zertheilt und zertrennt wurden, so daß seitdem des Reisens kein Ende ist, eine Völkerwanderung und Auswanderung der anderen folgt, und die Menschheit immer mehr in die Bewegung und in das Reisen geräth. Und was ist das Ziel der Reisen? Was treibt die Menschheit über die Erde hin wie Vogelschwärme? Sie suchen ein Glück, das sie nie hatten. Es reißt sie ein unbestimmter Zug und Trieb vorwärts, der ihnen weißagt und verheißt, was sie am Ende doch nicht faßen und genießen können. Wie ein Strom ergießt sich ein Geschlecht nach dem anderen ins Leben; aber sie finden und fühlen Den nicht, den sie finden und fühlen könnten, sondern sie fliehen vor Ihm. Darum verschlingt die Erde, das große Grab, ein Geschlecht um das andere spurlos, und von einem nach dem anderen fahren die Seelen in den traurigen Ort der Thoren, die des rechten Weges verfehlen. So laß dich also die große Reise der Menschheit warnen, o Wanderer, und weil du mit diesem Montag auf deiner diesmaligen Reise wiederum ein Stück vorwärts rückst;

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Wilhelm Löhe: Raphael. U. E. Sebald’sche Verlagsbuchhandlung, Nürnberg 1862, Seite 123. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Wilhelm_L%C3%B6he_-_Raphael.pdf/139&oldid=- (Version vom 1.10.2017)