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Dann blickte er auf den Kaufmann und sagte: „Warum ist denn deine Halskette so kurz?“

Mit diesen Worten nahm er von seinem eigenen Halsband zehn Perlen, groß und rund wie Flintenkugeln. Sein Weib nahm sie rasch für ihn in Empfang und hängte sie ihm um. Der Kaufmann kreuzte die Arme und bedankte sich in der Sprache der Oger. Darauf ging der große König wieder weg, auf dem Sturme davonfahrend wie im Fluge.

Der Kaufmann hatte mit seinem Weibe vier Jahre zusammen gewohnt, da gebar sie ihm Drillinge, zwei Knaben und ein Mädchen. Alle hatten Menschengestalt, unähnlich ihrer Mutter.

Eines Tages war der Kaufmann alleine zu Hause; da kam aus einer andern Höhle ein Weib und wollte ihn verführen. Er aber war nicht einverstanden. Da wurde das Ogerweib zornig und packte ihn am Arm. Unterdessen kam seine Frau nach Hause, und die beiden gerieten in ein fürchterliches Handgemenge. Schließlich biß seine Frau der andern ein Ohr ab, da ging sie weg. Von jener Zeit an bewachte nun die Frau den Kaufmann und wich keinen Augenblick von seiner Seite.

Abermals vergingen drei Jahre, und die Kinder lernten allmählich sprechen. Er lehrte sie auch die Menschensprache. Sie wuchsen heran und wurden so stark, daß sie über die Berge liefen wie auf ebenem Grunde.

Eines Tages war sein Weib mit dem einen Knaben und dem Mädchen ausgegangen und war einen halben Tag lang weggeblieben. Der Nordwind wehte stark, und in dem Herzen des Kaufmanns erwachte die Sehnsucht nach seiner alten Heimat. Er nahm seinen Sohn an der Hand und führte ihn zum Meeresufer. Da lag sein altes Schiff noch immer. Er stieg mit seinem Sohn hinein und kam in einem Tag und einer Nacht nach Annam zurück.

Als er zu Hause ankam, hatte sich seine erste Frau inzwischen mit einem andern Manne verheiratet. Er tat zwei von seinen Perlen hervor und gewann dafür eine

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Richard Wilhelm: Chinesische Volksmärchen. Eugen Diederichs, Jena 1914, Seite 220. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Wilhelm_ChinVolksm_220.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)