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Der blaue Himmel alles weiß,
Ihm kann man nicht entgehen.
Und Gut und Bös wird recht belohnt,
Mags oft auch lang anstehen.

Hu Di hatte Anstoß genommen an dem Schicksal des Feldherrn Yüo Fe. Darum ließ er sich von dem Priester einen Pinsel geben und änderte jene Worte ab:

Der blaue Himmel ist so fern,
Der Gute stirbt, der Böse siegt.
Wenn wirklich es Vergeltung gibt,
Wie käms, daß Treue unterliegt?

Dann deutete er auf das Götterbild im Tempel und begann zu schelten: „Du blindes und taubes Götzenbild von Holz und Lehm! Fälschlich nennen dich die Menschen den Herrn der Unterwelt. Umsonst wird dir das Weihrauchopfer dargebracht. Ich werde dich von deinem Stuhle stoßen!“

Mit diesen Worten begann er, dem Bilde mit Fußtritten zuzusetzen, und nur mit Mühe gelang es dem Priester, ihn zurückzuhalten. Weil er aber in heftiger Wut war, so stieg ihm der Wein wallend zu Kopf; er fiel auf den Boden und blieb liegen.

Ehe er sichs versah, hatte sein Geist die leibliche Hülle verlassen, und plötzlich sah er einen Teufel mit rotem Haar und blauem Gesicht und hervorstehenden Augen, die blitzten und leuchteten. In der Hand hielt er eine Tafel und sprach mit barschem Ton: „König Yän beruft dich!“ Damit nahm er aus dem Ärmel eiserne Fesseln hervor, legte sie um seinen Hals und schleppte ihn hinter sich her.

Vor sich sah er nichts als lauter gelben Sand, des Himmels Sonne konnte er nicht erkennen. Als sie lange gegangen waren, kamen sie an einen großen Berg, wo ein kalter Wind bis ins Mark der Knochen blies.

Er fragte, was das für eine Gegend sei.

„Das ist der Totenberg“, antwortete der Teufel, „die Grenze zwischen Menschenwelt und Unterwelt.“

Die Felsen bildeten eine ungeheure Öffnung. Darüber

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Richard Wilhelm: Chinesische Volksmärchen. Eugen Diederichs, Jena 1914, Seite 117. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Wilhelm_ChinVolksm_117.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)