geltenden Gleichungen kleiner Schwingungen auf bewegte übertragen werden können, wenn anstatt der Zeit t die Variable einführt, wo die Zeit bedeutet, die das Licht gebraucht, um im freien Aether von einem festen Punkte an einen beliebig betrachteten zu gelangen, und vA das Verhältniss der Geschwindigkeit des Körpers zur Lichtgeschwindigkeit ist.
Für den Fortführungscoefficienten ergiebt sich dabei noch ein weiteres Correctionsglied, das dadurch bedingt wird, dass durch die Bewegung auch eine Aenderung der Schwingungsdauer nach dem Doppler’schen Princip eintritt. Es folgt auch unmittelbar, dass der Einfluss der Erdbewegung sich nur in der Aberration zeigt und dass die prismatische Ablenkung und die Beobachtung der Wellenlänge durch Gitter nicht beeinflusst wird. Ebenso folgt, dass ein stationärer Strom auf einen anderen Draht durch die Erdbewegung keine Inductionswirkung ausübt, weil durch die Bewegung eine electrostatische Ladung erzeugt wird, welche die Wirkung compensirt.
Bei der Inductionswirkung tritt der Einfluss der Erdbewegung nur im Verhältniss der Grösse auf, sodass hier keine Aussicht auf experimentelle Bestätigung vorhanden ist.
Nachdem durch die ausführlich durchgearbeitete Theorie von Lorentz die Annahme unbeweglichen Aethers sich als vollkommen ausreichend erweist, um eine Anzahl der mannichfaltigen und bisher wenig erklärten Erscheinungen des Einflusses der Bewegung auf die electromagnetischen Vorgänge zu deuten, müssen wir nun auf eine Schwierigkeit principieller Natur hinweisen, die bei consequenter Durchführung dieser Theorie entsteht.
Diese Schwierigkeit hängt eng damit zusammen, dass veränderliche electromagnetische Zustände Kräfte hervorrufen, die den Aether in Bewegung setzen würden, wenn er beweglich wäre. Denken wir uns einen Körper im freien Aether etwa in der Form einer dünnen Platte, die auf beiden Seiten verschiedenes Ausstrahlungsvermögen für Wärmestrahlen besitzt. Da nun nach der Maxwell’schen Theorie die ausgesandten Strahlen einen Druck auf die Oberfläche ausüben, so würde dieser Druck auf der Seite des grösseren Ausstrahlungsvermögens überwiegen und den Körper in Bewegung setzen.
Wilhelm Wien: Ueber die Fragen, welche die translatorische Bewegung des Lichtäthers betreffen. Leipzig: Joh. Ambr. Barth, 1898, Seite XII. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Translatorische_Bewegung_des_Licht%C3%A4thers.djvu/12&oldid=- (Version vom 1.8.2018)