Translatorische Bewegung des Lichtäthers

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Autor: Wilhelm Wien
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Titel: Ueber die Fragen, welche die translatorische Bewegung des Lichtäthers betreffen
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aus: Annalen der Physik 301 (Beilage), 1898, S. I-XVIII
Herausgeber: G. und E. Wiedemann
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Entstehungsdatum: 1898
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Verlag: Joh. Ambr. Barth
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Erscheinungsort: Leipzig
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Quelle: Gallica, Commons
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Ueber die Fragen, welche die translatorische Bewegung des Lichtäthers betreffen; von W. Wien.
(Referat für die 70. Versammlung deutscher Naturforscher und Aerzte in Düsseldorf, 1898; Section Physik.)

Die Frage, ob der Lichtäther an den Bewegungen der Körper theilnehme oder nicht, und ob ihm überhaupt Beweglichkeit zuzuschreiben ist, hat die Physiker seit langem beschäftigt und zahllos sind die Annahmen und Vermuthungen, die man für die Eigenschaften des Trägers der electromagnetischen Erscheinungen aufzustellen für nöthig hielt. Es kann indessen nicht zweifelhaft sein, dass alles, was wir über den Aether wissen, in der Maxwell’schen Theorie des Electromagnetismus enthalten ist und alles übrige dem Gebiete der reinen Speculation angehört. Ich habe mir demgemäss nicht die Aufgabe gestellt, ein literarisches Referat über die unzählbaren Theorien, die den Lichtäther zum Gegenstande haben, zu liefern, sondern mich bemüht die Fragen herauszuheben, die wir auf der Grundlage der Maxwell’schen Theorie in Betreff der Beweglichkeit des Aethers zu stellen haben.

Wenn wir die Annahmen machen, dass dem Aether Beweglichkeit zukomme, so treten sogleich weitere Fragen hinzu, nämlich zunächst ob diese Bewegung Energieaufwand beansprucht, dem Aether also träge Masse zuzuschreiben ist, und dann ob der Aether durch die Bewegung fester Körper ebenfalls in Bewegung gesetzt wird. Das letztere scheint nach vielen Experimenten, namentlich nach den ausgedehnten Versuchen von Lodge, die mit schnell rotirenden Metallmassen oder in der Nähe schnelllaufender Kreissägen angestellt wurden, nicht der Fall zu sein.

Wir werden zunächst die Annahmen, ob dem Aether Beweglichkeit zuzuschreiben ist oder nicht, gegenüberstellen und dann zur Besprechung der Erfahrungsthatsachen übergehen.

Die Annahme der Beweglichkeit des Aethers.

Die Neigung, die Eigenschaften des Aethers mit denen der ponderabeln Materie in Uebereinstimmung zu bringen, hat zu der Annahme geführt, der Aether könne Bewegungen nach Art einer Flüssigkeit ausführen, obwohl kein einziges Experiment auf das Vorhandensein solcher Bewegungen hinweist. Wenn man aber dem Aether Beweglichkeit zuschreibt, so folgt, wie zuerst Hertz bemerkt hat, aus der Maxwell’schen Theorie mit Strenge, dass er unter dem Einfluss der Druckkräfte, die ein veränderliches electromagnetisches System erzeugt, Bewegungen ausführen muss, die sich berechnen lassen, wenn man über die Trägheit des Aethers bestimmte Annahmen macht.

Helmholtz hat die Grundzüge für die Berechnung dieser Strömungen unter der Voraussetzung angegeben, dass die Trägheit und Zusammendrückbarkeit des Aethers Null ist. Er hat indessen keine speciellen Beispiele gegeben, die gestatten diese Theorie an der Erfahrung zu prüfen und ich gebe daher hier zwei Beispiele, aus denen sich einige Folgerungen für die Bedeutung dieser Annahmen ziehen lassen.

Strömungen in Aether werden von den electromagnetischen Spannungen nur dann erregt, wenn das Feld weder statisch noch stationär ist, wenn also die Zustände der Zeit noch veränderlich sind.

Als erstes Beispiel führe ich einen electrisirten Doppelpunkt ein, der in sehr kleiner Entfernung voneinander gleiche Quanta positiver und negativer Electricität trägt, die proportional mit der Zeit zunehmen.

Bezeichnen wir mit x, y, z die Coordinaten, die Zeit mit t, mit X, Y, Z die Componenten der electrischen, mit L, M, N die der magnetischen Kräfte, mit A die reciproke Lichtgeschwindigkeit, so haben wir im freien Aether die Maxwell’schen Differentialgleichungen

Diesen Gleichungen genügen wir durch folgende Ausdrücke:

Es sei a eine Constante und , , . Die Componenten der electrischen Kräfte sind dann die partiellen Ableitungen der Function

Dies ist das Potential eines electrischen Doppelpunktes im Punkte mit der positiven und negativen Ladung . Die Verbindungslinie beider Ladungen ist parallel der z-Axe. Die Componenten des Poynting’schen Energiestromes sind proportional den Grössen

Setzen wir nun

so verlangt die Gleichung der Incompressibilität

dass

ist, wenn wir annehmen, dass wegen der Symmetrie um die z-Axe die Grössen unabhängig von sind.

Die von Helmholtz abgeleiteten Differentialgleichungen, in denen zum Ausdruck kommt, dass die von den electromagnetischen Spannungen hervorgerufenen Strömungen ihrerseits electromagnetische Kräfte hervorrufen, die sich mit den von aussen wirkenden ins Gleichgewicht setzen, lauten

(1)

Hier bedeutet P den hydrostatischen Druck.

Setzen wir in diese Gleichungen die obigen Werthe von ein, so erhalten wir

Die Winkelgeschwindigkeit ist ganz herausgefallen, braucht also keinen von Null verschiedenen Werth zu besitzen.

Eliminiren wir hieraus P, so ergiebt sich

(2)

Man sieht aus dieser Gleichung unmittelbar, dass den Factor enthalten muss. Für ist die Ladung des electrischen Doppelpunktes Null. Es würden also in dem Moment, wo die Ladung beginnt, die Strömungen im Aether unendlich werden.

Da die Maxwell’schen Differentialgleichungen vollständig erfüllt sind, so liegt kein Grund vor, eine solche proportional der Zeit von Null anwachsende Ladung auszuschliessen.

Eine Lösung der Differentialgleichung (2) ist

Daraus folgt

Es würde also der Aether parallel den Stromlinien fliessen,

in denen die durch die z-Axe gelegten Ebenen die Flächen schneiden. Eine solche Strömung ist aber hydrodynamisch unmöglich, weil die Geschwindigkeit für unendlich wird.

Als zweiten Fall betrachten wir einen electrisirten Punkt mit der Ladung e, der sich mit der constanten Geschwindigkeit v durch den Raum bewegt. Dieser Fall ist vollständig von Heaviside behandelt und zwar giebt seine Lösung folgende Werthe der electrischen und magnetischen Kräfte, bezogen auf ein in dem electrisirten Punkt festes Coordinatensystem, in dessen x-Axe die Bewegung erfolgt.

.

Dann ergiebt sich für die Grössen

Setzen wir wieder

so erhalten wir aus den Gleichungen (1)

Nennen wir die Grösse

so ergiebt die Elimination von P

(3)

Soll die Geschwindigkeit im Aether überall endlich bleiben, so muss

sein, dann haben wir

Es strömt also der Aether in Bezug auf das mit der Geschwindigkeit v in der Richtung x zugleich mit der Ladung bewegte Coordinatensystem mit derselben Geschwindigkeit in entgegengesetzter Richtung, ruht also in Bezug auf ein ruhendes Coordinatensystem. Dies Ergebniss ist deshalb bemerkenswerth, weil daraus hervorgeht, dass in der Bewegung electrischer Quanta kein Grund für eine Bewegung des Aethers liegt, wie es Helmholtz annimmt.

Dagegen können Bewegungen eintreten, wenn der Aether eine von Null verschiedene Trägheit hat. Ich gebe die Rechnung für diesen Fall, weil man daraus eine Vorstellung von der Grössenordnung der Dichte erhält, die gegebenen Falls dem Aether beizulegen wäre. Dann sind zu den Gliedern der Gleichungen (1) noch die Componenten der Beschleunigungen

hinzuzufügen, wo s die Dichtigkeit des Aethers bezeichnet und

sind. In dem soeben betrachteten Falle ist das System stationär in Bezug auf das bewegte Coordinatensystem. Es ist also

Setzen wir die Werthe von ein, so ergiebt die Elimination von P

Diese Gleichung wird erfüllt, wenn

ist. Es ist

Um die Differentialgleichung zu integriren, setzen wir

Dann wird

Wir betrachten zunächst die Differentialgleichung

Deren Integral ist

,

Dann genügt S der Differentialgleichung

und es ist also .

Es sind dies dieselben Ausdrücke, die bei den kreisförmigen Wirbelringen in einer Flüssigkeit die Geschwindigkeiten ergeben, wo dann die x-Axe die Axe der Wirbelringe ist, wenn die Drehungsgeschwindigkeit der Flüssigkeitstheilchen um die kreisförmige Drehungsaxe

ist.

Die Grössenordnung der eintretenden Bewegung hängt also in erster Linie von der Grösse

ab. Bei constantem e und s hat sie ein Maximum für

und ist gleich

Electrische Ladungen, die mit einer annähernd so grossen Geschwindigkeit durch den Raum fliegen, haben wir bei den Kathodenstrahlen.

Nehmen wir an, es würden dort electrostatische Einheiten in der Secunde transportirt und nehmen wir für die Geschwindigkeit ein Drittel Lichtgeschwindigkeit, so wäre in einem Rohr von 50 cm Länge beständig eine Ladung von in Bewegung. Die Grösse der Drehungsgeschwindigkeit wäre dann für und annähernd

Ausserhalb der Röhre würden bemerkbare Bewegungen nur bei ausserordentlich geringer Dichte des Aethers eintreten. Ueber die Vorgänge in unmittelbarer Nähe der Ladung lässt sich nichts Bestimmtes aussagen.[1]

Reflexion an bewegten durchsichtigen Medien.

Ein Beispiel, wo die Spannungen im Aether Bewegung hervorrufen würden, bietet die Reflexion electromagnetischer ebener Wellen an der Grenze bewegter Isolatoren. Bezeichnen wir den Einfallswinkel mit , mit dem Index e die einfallenden, mit r die reflectirten Componenten, so ist nach den bekannten Gesetzen

Bewegen wir die Platte mit der Geschwindigkeit v in der Richtung z, so haben wir für die reflectirten Wellen nach Lorentz zu setzen

bezogen auf ein mit der Platte bewegtes Coordinatensystem. Beziehen wir alles auf ein festes Coordinatensystem, so haben wir zu setzen. Der Factor R ist nicht genau derselbe, wie bei ruhendem System. Durch den electromagnetischen Druck wird Arbeit geleistet oder verbraucht und diese vermindert oder vermehrt die Energie der Strahlung. Die Grenzbedingungen lassen sich aber nur erfüllen, wenn man annimmt, dass diese Veränderung der Energie sich auf reflectirte und gebrochene Strahlen so vertheilt, als ob die ankommende Welle schon die in dem Verhältniss dieser Arbeit vermehrte oder verminderte Energie mit sich führe. Aus den gegebenen Werthen folgt, wenn wir Grössen von der Ordnung Av vernachlässigen

Setzen wir

also

so ergeben die Gleichungen

also

Die Spannung im Aether würde also erst aufhören, wenn er sich mit derselben Geschwindigkeit bewegt, wie die bewegte Platte. Dies gilt aber nur für kleine Geschwindigkeiten. Für grössere würden sich ziemlich verwickelte, von der Schwingungsdauer abhängige Werthe ergeben.

Dass die Mitbewegung des Aethers die Spannungen im Aether nur in erster Annäherung aufhebt, hängt damit zusammen, dass durch die Bewegung noch Aberration des Strahls hervorgerufen wird, die bekanntlich durch die Annahme bewegten Aethers nicht ohne weiteres erklärt werden kann.

Es erscheint nicht ganz aussichtslos, Experimente in der Richtung anzustellen, ob bei der Reflexion an schnell bewegten Platten der Aether in der Richtung der Bewegung mitgeführt wird.

Die Annahme ruhenden Aethers.

Nach dem Vorhergehenden können wir die Möglichkeit, dass sich der Aether bewege, nicht ganz in Abrede stellen. Aber die Schwierigkeiten der Durchführung einer derartigen Annahme dürfte schon in den skizzirten Beispielen zur Genüge hervortreten. Sobald es daher gelingt, allen bisher beobachteten Thatsachen gerecht zu werden, wenn man den Aether als ruhend betrachtet, so wird sich dieser Weg zunächst schon durch seine Einfachheit empfehlen. Allerdings verletzen wir dann von vornherein ein sehr allgemeines mechanisches Princip, dass der Gleichheit von Wirkung und Gegenwirkung, wenn wir nicht annehmen wollen, dass die electromagnetischen Spannungen, die den Aether in Bewegung setzen wollen, durch ein bestimmtes starres Gefüge aufgehoben werden. Und überhaupt wird der Aether, wenn wir ihm Beweglichkeit absprechen, zu einem Substrat von höchst unbestimmten Eigenschaften, das wir eigentlich nur noch gebrauchen, um uns den endlichen Werth der Lichtgeschwindigkeit verständlicher zu machen.

Aber jedem, dem es zunächst nur auf die allgemeinste Darstellung der Thatsachen ankommt, wird sich dieser Weg besonders empfehlen.

Die Annahme eines ruhenden Aethers war eigentlich die von Fresnel vertretene, obwohl dort noch von einer theilweisen Fortführung des Aethers die Rede ist. Diese Fortführung findet aber nur im Innern der wägbaren Körper statt, sobald diese selbst bewegt werden und kann vollkommen durch die Anschauung ersetzt werden, dass das, was fortgeführt wird, nicht der Aether selbst ist, sondern der Theil der electromagnetischen Energie, der an ponderablen Körpern haftet. Dies tritt sehr deutlich in der Berechnung von Reiff[2] heraus, aus der hervorgeht, dass der Fresnel’sche Coefficient der Fortführung für einen Lichtstrahl im bewegten Medium sich ergiebt, wenn der Aether selbst ruht, die electromagnetische Energie theilweise im Aether, theilweise in der ponderablen Substanz vorhanden ist.

Eine genaue Durchführung der Theorie unter Zugrundelegung der Annahme ruhenden Aethers und unveränderlich geladenen Ionen sowie vollständige Discussion aller wesentlichen Beobachtungsergebnisse ist in der Arbeit von H. A. Lorentz[3] enthalten. Von ganz ähnlichen Gesichtspunkten geht E. Wiechert[4] aus.

Lorentz erhält aus seiner Annahme unmittelbar den Fresnel’schen Coefficienten der Fortführung des Lichtes durch bewegte Medien, die Aberration und das Doppler’sche Princip. Alle drei hängen unmittelbar zusammen und ergeben sich aus einem allgemeinen Satze, wonach alle für ruhende Körper geltenden Gleichungen kleiner Schwingungen auf bewegte übertragen werden können, wenn anstatt der Zeit t die Variable einführt, wo die Zeit bedeutet, die das Licht gebraucht, um im freien Aether von einem festen Punkte an einen beliebig betrachteten zu gelangen, und vA das Verhältniss der Geschwindigkeit des Körpers zur Lichtgeschwindigkeit ist.

Für den Fortführungscoefficienten ergiebt sich dabei noch ein weiteres Correctionsglied, das dadurch bedingt wird, dass durch die Bewegung auch eine Aenderung der Schwingungsdauer nach dem Doppler’schen Princip eintritt. Es folgt auch unmittelbar, dass der Einfluss der Erdbewegung sich nur in der Aberration zeigt und dass die prismatische Ablenkung und die Beobachtung der Wellenlänge durch Gitter nicht beeinflusst wird. Ebenso folgt, dass ein stationärer Strom auf einen anderen Draht durch die Erdbewegung keine Inductionswirkung ausübt, weil durch die Bewegung eine electrostatische Ladung erzeugt wird, welche die Wirkung compensirt.

Bei der Inductionswirkung tritt der Einfluss der Erdbewegung nur im Verhältniss der Grösse auf, sodass hier keine Aussicht auf experimentelle Bestätigung vorhanden ist.

Nachdem durch die ausführlich durchgearbeitete Theorie von Lorentz die Annahme unbeweglichen Aethers sich als vollkommen ausreichend erweist, um eine Anzahl der mannichfaltigen und bisher wenig erklärten Erscheinungen des Einflusses der Bewegung auf die electromagnetischen Vorgänge zu deuten, müssen wir nun auf eine Schwierigkeit principieller Natur hinweisen, die bei consequenter Durchführung dieser Theorie entsteht.

Diese Schwierigkeit hängt eng damit zusammen, dass veränderliche electromagnetische Zustände Kräfte hervorrufen, die den Aether in Bewegung setzen würden, wenn er beweglich wäre. Denken wir uns einen Körper im freien Aether etwa in der Form einer dünnen Platte, die auf beiden Seiten verschiedenes Ausstrahlungsvermögen für Wärmestrahlen besitzt. Da nun nach der Maxwell’schen Theorie die ausgesandten Strahlen einen Druck auf die Oberfläche ausüben, so würde dieser Druck auf der Seite des grösseren Ausstrahlungsvermögens überwiegen und den Körper in Bewegung setzen. Wir hätten also hier den Fall, dass ein Körper seinen Schwerpunkt durch seine eigene innere Energie in Bewegung setzt. Nehmen wir also den Aether als unbeweglich an, so würde eine Verletzung des allgemeinen Satzes vom Schwerpunkt vorliegen. Dagegen würde die Annahme beweglichen Aethers, der Trägheit besitzt, diesem Einwande entgehen.

Indessen kann möglicherweise der Satz vom Schwerpunkt specieller Natur sein und sich auf gewisse Gruppen von Wirkungen beschränken, bei denen keine bewegenden Kräfte im Aether auftreten, wie das bei den gewöhnlich beobachteten ponderomotorischen Wirkungen thatsächlich der Fall ist.

Unter allen Umständen ist dieser Punkt für die weitere theoretische Ausbildung besonders im Auge zu behalten.

Die Versuchsergebnisse.

Nachdem wir die beiden voneinander zu trennenden theoretischen Aufstellungen besprochen haben, wollen wir einen Blick auf die Versuche machen, die bisher angestellt sind.

Die hauptsächlichsten Experimente, die sich auf unsere Frage beziehen, sind folgende:

A. Versuche mit positivem Ergebniss.

1. Die Aberration des Lichtes der Fixsterne. Die Aberration fand bekanntlich eine einfache Erklärung durch die Emissionshypothese des Lichtes. Die Schwierigkeiten in der Undulationstheorie sind erst ganz neuerdings von H. A. Lorentz durch die Annahme ruhenden Aethers beseitigt.

2. Das Doppler’sche Princip ist zwar seiner Natur nach von allgemeiner kinematischer Bedeutung, muss aber doch bei der Frage bewegten oder ruhenden Aethers berücksichtigt werden.

3. Der Versuch von Fizeau und seine Wiederholung durch Michelson und Morley. Ein Lichtstrahl, der durch fliessendes Wasser in der Richtung der Bewegungen geht, erfährt eine Beschleunigung des Ganges im Verhältniss , wo v die Geschwindigkeit, n den Brechungsindex des Wassers bezeichnen. Dies Ergebniss findet in der Annahme ruhenden Aethers seine vollständige Erklärung.

B. Versuche mit negativem Ergebniss.

1. Der Versuch Aragos, ob durch die Bewegung der Erde die Brechung des von den Fixsternen stammenden Lichtes beinflusst wird.

2. Der Interferenzversuch Ketteler’s. Durch zwei mit Wasser gefüllte, gegeneinander geneigte Röhren werden die beiden Strahlen eines Interferentialrefractors in der Weise geschickt, dass der eine Strahl die eine Röhre nach der ersten Reflexion (an der einen Glasplatte), der andere Strahl die zweite Röhre nach der zweiten Reflexion (an der anderen Glasplatte), also in entgegengesetzter Richtung durchläuft. Trotzdem beide Röhren durch die Erdbewegung mitgenommen werden, zeigt sich keine Veränderung der Interferenzstreifen, obwohl der eine Strahl beschleunigt, der andere verzögert wird,

Beide Ergebnisse folgen unmittelbar aus der Annahme ruhenden Aethers.

3. Der Versuch von Klinkerfues, ob die Absorptionslinie des Natriumdampfes durch die Bewegung der Erde beeinflusst werde.

Das positive Ergebniss von Klinkerfues würde mit der Theorie ruhenden Aethers unvereinbar sein. Doch ist die gefundene Verschiebung so gering, dass Beobachtungsfehler nicht ausgeschlossen sind.

4. Der Versuch von Des Coudres, ob die Inductionswirkung von zwei Drahtrollen auf eine dritte dadurch beeinflusst wird, dass die Richtung der Induction jeder Rolle einmal in die Richtung der Erdbewegung, dann in die dazu Senkrechte fällt.

H. A. Lorentz hat nachgewiessen, dass dieser Einfluss bei ruhendem Aether nur von dem Quadrat des Verhältnisses der Geschwindigkeit der Erde zur Lichtgeschwindigkeit abhängt, also nicht beobachtbar ist, weil durch die Erdbewegung eine electrostatische Ladung auf den Stromleitern entsteht, welche die Wirkung erster Ordnung aufhebt.

5. Die Versuche von Lodge, um zu untersuchen, inwieweit durch die Bewegung schwerer oder magnetisirbarer Massen der umgebende Aether mitgenommen wird.

6. Die Versuche von Zehnder, ob der Aether durch die Bewegung eines Kolbens in einem luftverdünnten Raum mitbewegt wird.

Die Versuche beider Beobachter wurden mit empfindlichen Interferenzmethoden angestellt und ergaben negatives Ergebniss, stimmen also mit der Annahme ruhenden Aethers ohne weiteres überein.

7. Die Versuche von Mascart über die Drehung der Polarisationsebene im Quarz. Es zeigte sich keine Veränderung der Drehung, wenn die Lichtstrahlen einmal die Richtung der Erdbewegung, dann die entgegengesetzte hatten.

H. A. Lorentz hat die Theorie dieser Erscheinung gegeben und findet, dass unter Annahme ruhenden Aethers die Erdbewegung einmal die bestehende Drehung verändert und noch unabhängig eine zweite hinzufügt.

Das negative Ergebniss der Mascart’schen Beobachtungen würde ergeben, dass im Quarz diese beiden durch den Einfluss der Erdbewegung hervorgerufenen Drehungen sich gerade aufheben.

8. Der Versuch von Röntgen, ob durch die Bewegung der Erde von einem geladenen Condensator magnetische Kräfte erzeugt werden.

Das negative Ergebniss dieses Versuches ist mit der Annahme ruhenden Aethers nicht vereinbar.

Auch electrische Ladungen und Magnete müssten durch die Bewegung der Erde magnetische, bez. electrische Kräfte hervorrufen. Das Fehlen dieser Kräfte wäre ebenfalls mit der Voraussetzung ruhenden Aethers nicht vereinbar.

9. Der Versuch Fizeau’s über den Einfluss der Erdbewegung auf die Drehung der Polarisationsebene durch Glassäulen. Das positive Ergebniss dieses Versuches ist neuerdings angezweifelt worden. Es würde mit der Annahme ruhenden Aethers nach den Untersuchungen von H. A. Lorentz nicht vereinbar sein.

10. Der Versuch von Michelson und Morley. Wenn der Aether ruht, so muss die Zeit, die ein Lichtstrahl braucht, um zwischen zwei Glasplatten hin und herzugehen, sich ändern, wenn die Platten sich bewegen. Die Veränderung hängt von der Grösse ab, müsste aber bei Anwendung von Interferenzen beobachtbar sein.

Das negative Ergebniss ist mit der Annahme ruhenden Aethers unvereinbar. Diese Annahme kann nur durch die Hypothese gehalten werden, dass die Längendimensionen fester Körper durch die Bewegung durch den ruhenden Aether hindurch in demselben Verhältniss geändert werden, um die Verlängerung des Weges des Lichtstrahls zu compensiren.

Die Annahme beweglichen Aethers würde die Möglichkeit ergeben, dass der Aether durch die Bewegung der Erde mitgenommen wird und relativ zu ihr ruht. Dadurch würden alle negativen Versuchsergebnisse erklärt sein. Es bliebe dann aber die Erklärung der Aberration übrig.

Gravitation und Trägheit.

Dass die Gravitation eine Ausnahmestellung einnimmt und keine bemerkbaren Beziehungen zu den übrigen Naturerscheinungen hat, ist schon oft hervorgehoben worden. Ihre Zurückführung auf Druckkräfte wird durch die Thatsache erschwert, dass der Energievorrath eines gravitirenden Systems bei unendlicher Entfernung der einzelnen Massentheile seinen grössten Werth hat. Es ist aber nicht immer deutlich genug hervorgehoben, dass die Beschleunigung schwerer Massen höchst wahrscheinlich mit der Gravitation zusammen hängt, weil durch die Beschleunigung und durch die Gravitation zwei voneinander unabhängige Definitionen der Masse gewonnen werden, die, soweit die hier sehr genauen Beobachtungen reichen, vollkommen übereinstimmen. Verlangt man eine weitere Erklärung der Gravitation, so müsste sie gleichzeitig davon Rechenschaft geben, weshalb Arbeitsaufwand zur Beschleunigung schwerer Massen erforderlich ist. Dass die beiden Definitionen der Masse übereinstimmen, müsste dann als eine Folge dieser Erklärung herauskommen. Ob eine solche Theorie sich auch auf den Aether zu stützen hat, lässt sich nicht mit Sicherheit behaupten, ist aber wahrscheinlich.

Es muss hier aber auch hervorgehoben werden, dass es keineswegs feststeht, ob eine Zurückführung aller Wirkungen auf Spannungen im Aether gelingen kann, ebenso wie es zweifelhaft bleibt, ob die Vorgänge im Aether sich durch die Gesetze der Mechanik vollkommen befriedigend darstellen lassen.

Fassen wir nun die Ergebnisse zusammen, so ist der Eindruck der, dass noch eine Anzahl von Fragen zu erledigen sind, bevor wir uns für den von der Wissenschaft zu betretenden Weg entscheiden können.

Die Annahme beweglichen Aethers ohne Trägheit führt, wie wir gesehen haben, zu wenig wahrscheinlichen Consequenzen.

Als Experiment, welches für diese Annahme von Wichtigkeit wäre, empfiehlt sich der Versuch, ob der Aether durch die Bewegung reflectirender durchsichtiger Medien in Bewegung gesetzt wird.

Da aber der Aether durch die Bewegung fester Körper soweit bis jetzt bekannt, nicht in Bewegung gesetzt wird, so ist ein negatives Ergebniss wahrscheinlich.

Der Annahme ganz ruhenden Aethers stehen folgende Schwierigkeiten entgegen:

1. Verletzung des Satzes vom Schwerpunkt (bez. der Gleichheit von Wirkung und Gegenwirkung).

2. Die negativen Ergebnisse der Versuche von Michelson und Morley, der von Röntgen und möglicherweise die Versuche von Mascart und Fizeau.

Es wäre daher dringend erwünscht, folgende Experimente zu wiederholen oder neu anzustellen.

1. Wirkt die Erdbewegung auf die Drehung der Polarisationsebene

a) natürlich drehender Substanzen,
b) durch Glassäulen.

2. Ruft die Erdbewegung durch die Bewegung electrischer Ladungen die von der Theorie geforderten magnetischen Kräfte und durch die Bewegung von Magneten die entsprechenden electrischen Kräfte hervor?

Wenn die Ergebnisse dieser Versuche vollkommen klargestellt sind, wird sich zeigen, ob die sonst so einfache Theorie ruhenden Aethers beizubehalten oder aufzugeben ist. Sollte sie aufgegeben werden müssen, so würde, wie mir scheint, nur der von Des Coudres angegebene Ausweg übrigbleiben; nämlich Einfluss der Gravitation auf den Lichtäther. Diese Annahme scheint mir gleichbedeutend mit der Voraussetzung einer geringen trägen Masse des Lichtäthers zu sein.

Es würde sich dann erklären, dass die Erde infolge ihrer bedeutenden Gravitation den Aether mitzieht, während die Bewegung kleiner fester Körper auf der Erde keinen Einfluss hat. Das negative Ergebniss der erwähnten Versuche wäre ohne weiteres erklärt.

Dann würden aber im wesentlichen die Schwierigkeiten in der Erklärung der Aberration bestehen bleiben, auf die H. A. Lorentz aufmerksam gemacht hat. Ob dieselben aber nicht doch zu überwinden sind, wenn die Mitbewegung des Aethers unter Einfluss der Gravitation in Rechnung gezogen wird, bedarf einer besonderen Untersuchung. Zu dem Zwecke wäre das hydrodynamische Problem zu erledigen, die Bewegungen einer Flüssigkeit zu bestimmen, durch die ein Punkt mit constanter Geschwindigkeit sich bewegt, der die einzelnen Flüssigkeitstheile nach dem Newton’schen Gesetze anzieht.

Die Maxwell’schen Spannungen, die den Aether in Bewegung setzen würden, sind immer, weil sie mit der reciproken Lichtgeschwindigkeit multiplicirt erscheinen, so klein, dass die Bewegungen auch bei sehr geringer träger Masse im allgemeinen unmerklich werden.

Aufgabe der Theorie wäre es dann, solche Beispiele aufzusuchen, wo die Bewegung des Aethers thatsächlich beobachtet werden könnte.


  1. Ich habe mit dem Jamin'schen Interferentialrefractor den Versuch gemacht, ob ein durch eine Vacuumröhre gehender Lichtstrahl durch die Kathodenstrahlen beschleunigt wird; das Ergebniss war aber durchaus negativ.
  2. Reiff, Wied. Ann. 50. p. 367. 1893
  3. Lorentz, Versuch einer Theorie der electrischen und optischen Erscheinungen in bewegten Körpern. Leyden 1895 [WS:Vorlage:1893].
  4. Wiechert, Theorie der Electrodynamik. Königsberg 1896.