Seite:Steig Frau Auguste Pattberg.djvu/51

Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
25
Er suchte dich gleich einem Schaz,

Durchgehet alle Ort und Plaz,
Verworfen durch der Juden List,
Findt er dich unter Staub und Mist.

Mit Jubel und auch Herzens Freud

30
Er dich erblicket hat mit Freud,

Grüsste dich mit Herz und Mund,
Nicht gnug dich bedauern kunt.

Nach Möglichkeit thät er dich ehren,
Er musste auch von dir anhören:

35
„Gebt mir nur meine Händelein,

So geb ich euch den Segen mein.“

Dies muss die ganze Prager Stadt
Bekennen, die’s erfahren hat,
Wie du vom Schweden sie erlösst,

40
Der in ihr feindlich war zuerst.


Auch zu der grossen Pesten Zeit
Hast du sie von der Pest befreit,
O Jesulein streck aus deine Hand,
Beschüz das liebe Vaterland.[1]


„Zwei Tag darf ich noch bleiben,
Kommt an der dritte Tag,
So muss ich von dir scheiden,
Herzallerliebster Schaz.“

5
„Wann kommst du wieder heime,

Herzallerliebste mein?“
„Wenn’s schneet rothe Rosen,
Wenn’s regnet kühlen Wein.“

„Es schneet keine Rosen,

10
Und regnet auch kein Wein,

So kommst du auch nicht wieder
Herzallerliebste mein!“

Geh ich ins Vaters Garten,
Will sehn wo Rosen sein,

15
Leg ich mich hin und schlafe,

Auf rothen Nägelein;

Da thät es mir wohl träumen:
Es regnet kahlen Wein,
Es schneet rothe Rosen,

20
Mein Schaz käm wied’rum heim.


Als ich erwach vom Schlafen,
Da liegt ein tiefer Schnee,
Da blühen keine Rosen,
Mein Schäzlein ich nicht seh.

25
Ein Hauss will ich mir bauen

Dort auf der hohen Höh,
Kann ich mein Schaz anschauen,
Dann schmelzt der tiefe Schnee;

Dann blühen rothe Rosen,

30
Dann trink ich kühlen Wein,

Werd auch den Wind nicht spühren
Bei meiner Liebsten fein.

Und wann das Hauss gebaut ist
Wer wohnet mit mir drin?

35
Wann d’ wieder kommst nach dreissig Jahr,

Findst mich allein darin.[2]



  1. Aus des Knaben Wunderhorn 2, 187 bis 186, wo die Aufschrift lautet: „Das Prager Lied. 1636“.
  2. Aus der eigenhändigen Niederschrift der Frau Auguste Pattberg. Eine in dem Personenverhältnis abweichende Gestaltung in Des Knaben Wunderhorn 2, 221 bis 222 mit der Aufschrift:
    Wo’s schneiet rothe Rosen,
    Da regnet’s Thränen drein.

    (Mündlich.)
    Vgl. Birlinger und Crecelius 2, 75; oben S. 84.
Empfohlene Zitierweise:
Reinhold Steig: Frau Auguste Pattberg geb. von Kettner. Koester, Heidelberg 1896, Seite 112. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Steig_Frau_Auguste_Pattberg.djvu/51&oldid=- (Version vom 1.8.2018)