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und jede Bodenart, theils wenigstens für irgend eine Bodenart und Gegend, oder zu diesem oder jenem ökonomischen Zwecke besonders schätzbar sind, und was sich als wirklich werthvoll gezeigt hat, müssen wir nach seinen verschiedenen äußeren Kennzeichen und deren Veränderung in verschiedenen Gegenden und Bodenarten noch genauer zu fixiren suchen, und müssen wir zu dem Ende auch für jede bessere Obstsorte uns über einen bestimmten Namen, mit dem sie überall in Deutschland allein zu bezeichnen ist, vereinigen, der, wenn die Frucht von unsern classischen Pomologen bereits beschrieben und in’s Publikum gebracht ist, durchaus der von diesen gegebene Name seyn muß, der in Sylben genau beizubehalten und ohne gewichtige Gründe (z. B. statt Winter-Sylvester, Sylvesters Herbstbirn zu sagen) nicht zu verändern ist. Dabei mögen die Pomologen bei ihren Bestrebungen sehr beherzigen, was Herr Geheimerath von Flotow in einem gehaltreichen Aufsatze im ersten Hefte der Monatsschrift[WS 1] gesagt, und namentlich hervorgehoben hat, daß die ausführlichsten Obstbeschreibungen nicht gehörig nützen, wenn nicht das eigentlich Charakteristische jeder Frucht und ihre Unterscheidungsmerkmale von andern, fester bestimmt werden. War es bisher in der That noch nicht möglich, dies schon genau festzustellen [weshalb wir namentlich auch Diel nicht tadeln wollen, daß er dies nicht schon hinreichend feststellte, was er erst am Schlusse seiner Forschungen hätte thun können, nachdem er das Ganze seiner Früchte mehr übersah, wobei ihn aber der Tod zu früh abforderte], so wird es doch möglich werden, es festzustellen, wenn nach und nach die Fluth zu vieler mittelmäßigen oder schlechten Obstsorten sich verliert, wenn ferner die Pomologen künftig noch umfassender der Probebäume sich bedienen wollen, um möglichst viele Obstsorten in den Kreis ihrer Forschungen ziehen zu können, und wenn der einzelne Pomolog für seine Forschungen stets nur eine einzelne Gattung der Obstfrüchte sich wählt, wie früher Truchseß und jetzt Liegel gethan haben. – Das Streben der Pomologen, die Zahl der Obstsorten zu beschränken, wird nicht, wie ein Aufsatz des Herrn Professors Lange im zweiten Hefte der Monatsschrift[WS 2] zu besorgen scheint, in das andere Extrem sich überstürzen dürfen, daß wir aus jeder Obstclasse ein paar Dutzend Früchte zum alleinigen weiteren Anbaue auswählten, um alles andere dann über Bord zu werfen. Sind wir doch mit unsern Forschungen was theils allgemein, theils für verschiedene Bodenarten und Zwecke das Beste sey, lange noch nicht im Reinen, und ist doch die jetzt vorhandene große Zahl von Obstfrüchten sine numine nicht producirt und zusammengetragen, da wir dadurch, gegen[WS 3] frühere Zeit, so außerordentlich viel Besseres erhalten haben. Es kann dem Pomologen vom Fache die Arbeit nicht erspart werden, nach und nach, soviel wie möglich, alle guten, jetzt bekannten Früchte hinsichtlich ihrer Güte für unser Deutschland durchzuforschen und dazu namentlich noch viele Belgische neuere Birnen und Englische Aepfel, vielleicht auch amerikanische Früchte zu prüfen, wozu immerhin die Probebäume und die zu hoffenden pomologischen Gärten hinreichende Mittel an die Hand geben. Aber es liegen wohl zweifelsohne über die Güte der einzelnen Obste schon so viele haltbare und in weiteren Kreisen zutreffende Erfahrungen vor, und können bald durch allgemeinere Obstausstellungen so sehr vermehrt werden, daß man sich bereits jetzt über eine für jedes Bedürfniß hinreichende Anzahl von Obstfrüchten vereinigen kann, die zum allgemeinen Anbau in ganz Deutschland oder wenigstens für eine besondere Gegend und Boden vorzüglich zu empfehlen sind, und da müssen die Pomologen und Vereine mit vereinten Kräften dahin zu wirken suchen, daß diese in den Baumschulen vorerst allein angezogen und unter richtigem Namen abgegeben werden, damit Kenntniß der besten Sorten mehr in’s Publikum komme.

Auf der anderen Seite muß alles aufgeboten werden, um die Regierungen zu disponiren, die nöthigen Geldmittel zur Gründung beträchtlicher pomologischer Gärten in verschiedenen Gegenden Deutschlands herzugeben (haben solche doch gewiß auf die eigentliche Landwirthschaft direkteren und umfassenderen Einfluß, als die mit so großen Kosten unterhaltenen botanischen Gärten!), in welche nicht blos das schon zu allgemeiner Verbreitung ausgewählte Obst, sondern so viel wie möglich alle Früchte, welche wirkliche Güte gezeigt haben, aufzunehmen, und in denselben weiter zu beobachten und sorgfältigst zu conserviren sind. Neue Früchte dagegen sind von den Pomologen und aus den pomologischen Gärten immer nur mit Vorsicht und wenn sie vor schon bekannteren, allgemeiner angebauten Sorten wirkliche Vorzüge haben, in’s Publikum zu bringen, indem, wenn solche Vorzüge fehlen, es entschieden besser ist, die schon bekannte Frucht beizubehalten, weil über diese doch schon manche gemachte Erfahrungen vorliegen.

Anmerkungen (Wikisource)

Empfohlene Zitierweise:
Ed. Lucas, J. G. C. Oberdieck (Hrsg.): Monatsschrift für Pomologie und praktischen Obstbau I. Franz Köhler, Stuttgart 1855, Seite 149. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Pomologische_Monatshefte_Heft_1_149.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)