Philon: Über die Träume (De somnis) übersetzt von Maximilian Adler | |
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brachte sie die Sinnlichkeit, das mit ihnen aufgewachsene Weib, noch mehr ab und zwang sie dazu, zu scheitern. 247 Wenn dann die ganze Seele wie ein Schiff völlig zerschmettert war, wurde sie wie eine Säule aufgestellt. Von Lots Weibe nämlich, die sich nach hinten umkehrte, sagen die Sprüche, sie sei eine Salzsäule geworden (1 Mos. 19, 26), richtig und zutreffend.[1] 248 Denn wenn einer nicht das vor ihm Liegende, das des Anschauens und Anhörens Werte, betrachtet – das aber sind die Tugenden und die tugendhaften Taten –, sondern sich nach hinten und nach dem im Rücken Liegenden umblickt auf der Jagd nach taubem Ruhm, blindem Reichtum,[2] gefühlloser Wohlbeleibtheit und geistloser Wohlgebildetheit und dem, was sonst hiermit verwandt ist, der wird als leblose Säule stehenbleiben, die in sich selber zerfließt; denn Salz ist nichts Festes.
[43] 249 Nachdem nun der Ringer durch dauernde Übung gelernt hat, daß die Schöpfung aus sich selbst bewegt, das Ungeschaffene aber unveränderlich und unbewegt ist, errichtet er sehr treffend Gott eine Säule und, als er sie errichtet hat, salbt er sie. Es heißt nämlich: „Du salbtest mir eine Säule“ (1 Mos. 31, 13). 250 Doch darfst du nicht glauben, ein Stein sei mit Öl gesalbt worden, sondern die Lehre über die alleinige Beständigkeit Gottes wurde in der Seele eingeübt und zugleich mitgeübt von der Wissenschaft des Einsalbens, nicht von der, durch die die Körper eingefettet werden, sondern von der, durch welche der Geist Kraft und unwiderstehliche Stärke bekommt. 251 Denn es liebt den Wettkampf und die Ringkunst, wer sich zur Jagd nach guten Taten aufgemacht hat. [658 M.] Wer daher die Kunst des Einsalbens, die Schwester der Heilkunst, erarbeitet hat, wer alle Lehren über Tugend und Frömmigkeit salbte und mit einübte, der wird wirklich Gott das schönste und haltbarste Weihgeschenk aufstellen. 252 Deshalb sagt er auch nach der Aufstellung der Säule: „Du tatest mir ein Gelübde“ (ebd.). Ein Gelübde aber ist in eigentlichem Sinne eine Weihegabe, sobald von einem, der nicht nur seine eigenen Besitztümer, sondern auch ihren Besitzer zurückgegeben hat, gesagt wird, daß er Gott ein Geschenk gibt. 253 „Heilig“, heißt es nämlich, „ist, wer das Haar des Hauptes wachsen läßt“ (4 Mos. 6, 5),[3] das er gelobt hat. Ist er aber heilig, so ist er ganz ein Weihgeschenk,
Philon: Über die Träume (De somnis) übersetzt von Maximilian Adler. H. & M. Marcus, Breslau 1938, Seite 223. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:PhiloSomnGermanAdler.djvu/61&oldid=- (Version vom 7.10.2018)