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die Fürsorge Gottes des Erretters aller, der aus dem Allerheiligsten das Wort ertönen läßt: „Tritt nicht näher heran“ (ebd. 5), das bedeutet: wage dich nicht an eine derartige Untersuchung heran; denn es bedarf dazu einer größeren Sorgfalt und Vielgeschäftigkeit als im menschlichen Vermögen steht; bewundere vielmehr das Entstandene, ohne neugierig nach den Ursachen zu forschen, durch die es entstanden ist oder zugrunde geht.[1] 163 „Denn das Gebiet, auf dem du stehst“, heißt es, „ist heiliges Land“ (ebd. V. 5). Was für ein Gebiet? Offenbar das der Ursachenforschung, das (die Schrift) den göttlichen Naturen ausschließlich zugewiesen hat, während sie keinen von den Menschen für fähig hält, an die Erforschung der Ursachen Hand anzulegen. 164 Moses aber strebt aus Wissensdurst über die ganze Welt hinaus und stellt Untersuchungen über den Weltschöpfer an: was dieser schwer zu Schauende und schwer zu Erfassende sei, ein Körper oder etwas Unkörperliches oder etwas, was höher ist als beides, eine einfache Natur – etwa eine Monade – oder eine Zusammensetzung oder was denn anders in der Welt des Seienden. Als er nun sieht, wie schwer dies zu fassen und zu begreifen ist, betet er darum, von Gott selbst belehrt zu werden, was Gott ist; denn er erwartet nicht, es von einem anderen aus der Zahl der Wesen, die unter ihm stehen, erfahren zu können. 165 Gleichwohl vermochte er nichts über das Wesen des Seienden zu erforschen; denn es heißt: „Du wirst sehen, was hinter mir ist, mein Antlitz aber sollst du nicht schauen“ (2 Mos. 33, 23).[2] Denn der Weise begnügt sich damit, zu erkennen, was mit Gott zusammenhängt, ihm nachfolgt und nächst ihm ist; wer aber das herrschende Wesen schauen will, wird von dem Glanz der Strahlen, bevor er es erblickt hat, erblinden.

[30] 166 Nachdem wir soweit die dritte Hauptgruppe erörtert haben, wenden wir uns der vierten und letzten [571 M.] unter den oben aufgestellten zu, bei der ein Finden sich vorher einstellt, ohne daß ein Suchen stattgefunden hat. Hierher gehört jeder selbstlernende und selbstbelehrte Weise; denn dieser wird nicht durch Überlegungen, Übungen und Mühen erzogen, sondern findet gleich bei seiner Geburt eine Weisheit bereit, die vom Himmel droben herniederträuft, von deren ungemischtem Trank schlürfend er bewirtet wird und in einem


  1. Vgl. Ü. d. Träume I § 21ff. 60.
  2. Vgl. Über die Nachkommenschaft Kains § 169 und die dort in der Anm. zitierten Stellen.
Empfohlene Zitierweise:
Philon: Über die Flucht und das Finden. H. & M. Marcus, Breslau 1938, Seite 92. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:PhiloFugGermanAdler.djvu/043&oldid=- (Version vom 21.5.2018)