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was vollkommen naturgemäß ist. Es heißt: „Juda schickte das Böckchen durch den hodollamitischen Hirten, um das Pfand von dem Weibe zurückzuerhalten, und er fand sie nicht. Da fragte er die Männer aus dem Ort: Wo ist die Dirne, die bei Ainan am Wege war? Sie sagten: Hier war keine Dirne. Und er kehrte zurück zu Juda und sagte: Ich habe sie nicht gefunden, und die Menschen aus dem Ort behaupten, daß dort keine Dirne sei. Da sprach Juda: Sie mag es behalten; wenn wir nur nicht verspottet werden. Ich habe das Böckchen da geschickt, und du hast sie nicht gefunden“ (1 Mos. 38, 20–23). Welch wunderbare Prüfung, welch fromme Versuchung! 150 Eine kauflustige Seele hat für das schönste Besitztum, die Frömmigkeit, mittels dreier Unterpfänder oder Symbole: Ring, Kette und Stab (ebda. 18), ein Angeld gegeben: Zuverlässigkeit und Treue, stete Übereinstimmung der Rede mit dem Leben und des Lebens mit der Rede,[1] sowie wahre unbeugbare Bildung, die eine gute Stütze ist.[2] 151 (Die Seele) macht nun die Probe, ob es gut war, dies Angeld zu geben. Worin besteht nun die Probe? Darin, daß sie einen Köder mit verlockenden Eigenschaften auswirft, – Ruhm oder Reichtum oder Gesundheit des Körpers oder etwas derartiges, – um zu erfahren, nach welcher von beiden Seiten ein Ausschlag, gleichsam wie bei einer Wage, erfolgen würde. Denn wenn sich eine Neigung zu einem dieser Dinge hin ergeben sollte, so wäre das Angeld nicht sicher. Wenn (Juda) also das Böckchen schickte, um das Pfand von dem Weibe zurückzubekommen, so hatte er nicht die Absicht, es auf jeden Fall wiederzuerhalten, sondern nur, wenn jene sich unwürdig erweisen würde, es zu behalten. 152 Wann wäre das aber der Fall? Wenn sie das Ungleichgültige gegen Gleichgültiges eintauschte und den unechten Gütern vor den echten den Vorzug gäbe. Nun sind aber Treue, stete Übereinstimmung der Worte mit den Werken und die Richtschnur einer rechten Bildung echte Güter – wie umgekehrt Treulosigkeit, Nichtübereinstimmung und Unbildung Übel sind –, unechte Güter dagegen alles, was von dem unvernünftigen Trieb abhängig ist. – 153 Wie er sie also suchte, (heißt es) „fand er sie nicht“. Denn in der Tat ist das Schöne in dem beschmutzten


  1. Zur Forderung der Übereinstimmung der Taten mit den Worten vgl. Über die Nachkommen Kains § 88 mit Anm.
  2. Die παιδεία ein Stab: Ü. d. Nachk. Kains § 97 All. Erkl. II § 89; Über die Geburt Abels § 63. – Vgl. die abweichenden Auslegungen der drei Pfänder in der Schrift Ü. d. Namensänd. § 135 und Ü. d. Träume II § 44f.
Empfohlene Zitierweise:
Philon: Über die Flucht und das Finden. H. & M. Marcus, Breslau 1938, Seite 89. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:PhiloFugGermanAdler.djvu/040&oldid=- (Version vom 21.5.2018)