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„Gott ist in keinem Falle und in keiner Weise ungerecht, sondern so gerecht als nur möglich, und es gibt nichts, was ihm ähnlicher wäre als derjenige von uns, der selbst so gerecht als möglich wird. Davon[1] hängt auch die wahrhafte Tüchtigkeit eines Mannes und andererseits die Untüchtigkeit und Unmännlichkeit ab. Denn die Erkenntnis dieses Prinzips ist Weisheit und wahre Tugend, seine Unkenntnis Torheit und offenbare Schlechtigkeit. Die anderen scheinbaren Arten von Tüchtigkeit und Weisheit sind, wenn sie sich bei staatlichen Machtstellungen zeigen, unedel, wenn bei Handwerkerkünsten, niedrig.“ [16] 83 Nachdem die Schrift also angeordnet hat, daß der unfromme Ankläger der Gottheit aus der Nähe des Allerheiligsten weggeführt und der Strafe überantwortet werde, fährt sie fort: „Wer Vater oder Mutter schlägt, der soll sterben“ und in gleicher Weise: „Wer Vater oder Mutter schmäht, der soll sterben“ (2 Mos. 21, 15. 16). 84 Sie verkündet also fast mit schreiend lauter Stimme, daß keinem, der das Göttliche lästert, Verzeihung gewährt werden soll. Denn wenn diejenigen, welche ihre sterblichen Eltern geschmäht haben, zum Tode abgeführt werden, welche Strafe verdienen dann wohl die, welche es wagen, den Vater und Schöpfer des Alls zu lästern? Welche schimpflichere Schmähung kann es aber geben als die Behauptung, die Entstehung der Übel sei nicht durch uns, sondern durch Gott verursacht? 85 Vertreibt daher, ihr Mysten und Hierophanten göttlicher Weihen, vertreibt die vermischten, vermengten und zusammengewürfelten Seelen, die schwer zu reinigenden und zu waschenden, die unverschlossene Ohren und eine türlose Zunge[2] mit sich tragen als gewandte Werkzeuge ihres Unglücks, um alles, auch was sie nicht dürfen, zu hören und alles, auch was sie nicht müssen, auszuschwatzen. 86 Alle aber, die in der Unterscheidung von absichtlichen und unabsichtlichen Handlungen unterrichtet worden sind, und denen anstatt einer Lästerzunge ein frommer Mund zuteil geworden ist, verdienen Lob, wenn sie recht handeln, wenn sie aber ohne ihre Absicht fehlen, sind sie nicht gänzlich zu tadeln. Deshalb wurden für sie auch besondere Städte als Zufluchtsorte abgesondert.[3] [559 M.]


  1. Der Übersetzung liegt die platonische Lesart: περὶ τοῦτο zugrunde. Μ. Α .
  2. Zu diesem Ausdruck vgl. die von Odo Casel, De philosophorum Graecorum silentio mystico (RGVV. XVI 2) S. 5 beigebrachten Stellen aus altgriechischen Dichtern, die dort mit dem eleusinischen Mysterienkult in Verbindung gebracht werden.
  3. Nach 4 Mos. 35.
Empfohlene Zitierweise:
Philon: Über die Flucht und das Finden. H. & M. Marcus, Breslau 1938, Seite 74. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:PhiloFugGermanAdler.djvu/025&oldid=- (Version vom 21.5.2018)