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Philon: Über die Verwirrung der Sprachen (De confusione linguarum) übersetzt von Edmund Stein

umgeben, die Schöpfung dieses Teiles überlassen.[1] Es war nämlich notwendig, daß das dem Unfreiwilligen Entgegengesetzte, das Freiwillige, zur Ergänzung des Weltalls eingesetzt werde und zum Vorschein komme. [36] 180 Das sei nun somit gesagt. Es muß aber auch das in Erwägung gezogen werden, daß Gott ausschließlich Urheber des Guten ist, keinesfalls aber des Bösen, da er selbst das altehrwürdigste aller Wesen ist und das vollkommenste Gut. Es ist aber Gott höchst geziemend, das zu schaffen, was seiner eigenen Natur entspricht – dem Besten das Beste –, dagegen die Bestrafung der Schlechten durch die ihm Untergeordneten auszuführen. 181 Für meine Ausführungen sprechen auch die Worte dessen, der durch Ausübung (der Tugend) zur Vollkommenheit gelangt ist:[2] „der Gott, der mich nährt von meiner Jugendzeit an, der Engel, der mich erlöst von allem Übel“ (1 Mos. 48, 15. 16);[3] denn auch dieser gibt zu, daß die wahren Güter, die die tugendfreundlichen Seelen nähren, auf Gott als den einzigen Urheber zurückgeführt werden, der Anteil am Bösen dagegen den Engeln zugewiesen wurde[4] – wenn sie auch keine unumschränkte Strafgewalt haben –, damit seine (Gottes) erlösende Natur mit nichts Verderbenbringendem in Berührung gerate. 182 Deshalb heißt es: „Wohlan, wir wollen herabsteigen und verwirren“. Denn die Gottlosen haben es verdient, daß ihnen solche Gerechtigkeit widerfahre: daß seine (Gottes) gnadereichen, wohltuenden, freigebigen Kräfte sich mit den Strafen abfinden.[5] Obwohl er aber sah, daß diese (Strafen) dem Menschengeschlechte förderlich sind, hat er sie doch durch andere (Wesen) bestimmen lassen. Denn einerseits müßten ihm (dem Menschengeschlecht) Besserungsmaßnahmen zuteil werden, andererseits sollten die Quellen seiner (göttlichen), ewig fließenden Gnade [433 M.] durch die wirklichen wie die bloß vermeintlichen Übel ungetrübt bleiben.

[37] 183 Was aber die Synchysis[6] bedeute, das soll erforscht werden. Wie werden wir also forschen? Meiner Ansicht nach folgendermaßen.[7]


  1. Das ist schon altstoische Lehre: Heinemann ebd. II 429.
  2. Jakob, der Asket.
  3. Vgl. Alleg. Erkl. III § 177; De fuga. et invent. § 67.
  4. Nach der Parallelstelle De fuga. § 67f. scheint unter dem „Übel“ das sittliche Übel verstanden zu sein, aus dem ihn der Engel durch Strafen errettet.
  5. Eig. sich ihnen anpassen.
  6. In den folgenden Ausführungen kommt man mit „Verwirrung“ nicht aus. Das Wort wird in der ursprünglichen Bedeutung aufgefaßt, daher: Zusammengießung, und zwar eine solche, bei der eine chemische Verbindung entsteht.
  7. Die folgende Unterscheidung der Vorbindungsarten (σύγχυσις, μῖξις, κρᾶσις) ist stoisch. Siehe Diels Doxographi graeci S. 463f.; StVFr. II 470ff.
Empfohlene Zitierweise:
Philon: Über die Verwirrung der Sprachen (De confusione linguarum) übersetzt von Edmund Stein. H. & M. Marcus, Breslau 1929, Seite 147. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:PhiloConfGermanStein.djvu/049&oldid=- (Version vom 1.8.2018)