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Philon: Über die Verwirrung der Sprachen (De confusione linguarum) übersetzt von Edmund Stein

selbst nicht geziemt.[1] Zwar ist der Allvater keiner Sache bedürftig, sodaß er (die Hilfe) anderer nötig hätte, wenn er beabsichtigen möchte, etwas zu schaffen; dennoch gibt es Dinge, deren Gestaltung er den untergebenen Kräften überließ, indem er erwog, was ihm und was den Geschaffenen ansteht. Dabei gab er jenen durchaus nicht das unumschränkte Schaffensvermögen, damit nicht an irgendeinem von den Dingen, die in Erscheinung treten sollen, etwas fehlerhaft gemacht werde. [35] 176 Dies also mußte vorausgeschickt werden. Zu welchem Zwecke[2] – das ist nun zu besprechen. Die Natur der Lebewesen zerfällt zunächst in den vernunftlosen und vernunftbegabten Teil, die einander entgegengesetzt sind; [432 M.] der vernunftbegabte (zerfällt) hinwieder in die vergängliche und die unsterbliche Art: vergänglich ist die der Menschen, unsterblich die der körperlosen Seelen, die sich in Luft und Himmel bewegen. 177 Diese haben an der Schlechtigkeit keinen Anteil, da ihnen ein ungetrübtes und seliges Geschick von Anbeginn an zufiel, und sie nicht an den Ort endloser Leiden, den Körper, gebunden sind. Aber auch (die) der vernunftlosen Wesen haben daran keinen Anteil, da sie des Verstandes bar sind und nicht der freiwilligen Vergehen überführt werden, die aus der Überlegung entstehen. 178 Wohl ausschließlich der Mensch ist es, der, obwohl er das Wissen um Gut und Böse besitzt,[3] oft das Schimpflichste wählt, das Strebenswerte aber flieht, sodaß er hauptsächlich wegen vorsätzlicher Sünden verurteilt wird. 179 In geziemender Weise hat Gott daher zu dessen Erschaffung auch seine Untergebenen herangezogen, indem er sprach: „wir wollen einen Menschen schaffen“, damit die rechten Taten des Menschen auf ihn (Gott) allein zurückgeführt werden, die Sünden aber auf andere. Denn Gott, dem Alllenker, schien es sich nicht zu ziemen, selbst die Neigung zur Schlechtigkeit in der vernunftbegabten Seele zu schaffen. Deswegen hat er den Wesen, die ihn


  1. Über ähnliche Vorstellungen bei Posidonius vgl. Heinemann, Poseidonis’ metaphysische Schriften I 127ff.; II 308ff. Zum folgenden vgl. insbesondere die sicher aus Posidonius stammende Stelle bei Cic. Div. I 118 neque enim decorum (= Philos πρέπον) est nec dis dignum. Übrigens hat sich auch nach dem Midrasch zu der von Philo erwähnten Stelle 1 Mos. 1, 26 Gott mit seiner „Dienerschaft“ (פמליא ‎= familia) beraten. I. H.
  2. Zu welchem Zwecke Gott die § 168f. erwähnten Aufgaben anderen überließ. Die Ausführung ist von Plato Tim. 41 Aff. abhängig.
  3. Nur der Mensch hat einen freien Willen: De provid. I § 70.
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Philon: Über die Verwirrung der Sprachen (De confusione linguarum) übersetzt von Edmund Stein. H. & M. Marcus, Breslau 1929, Seite 146. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:PhiloConfGermanStein.djvu/048&oldid=- (Version vom 1.8.2018)