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Philon: Über die Verwirrung der Sprachen (De confusione linguarum) übersetzt von Edmund Stein

kein einziger Teil der Erde kann wegen der oben angeführten Ursache den Himmel berühren, da auch der Mittelpunkt eines Kreises den Umfang nicht berührt.[1] Zweitens, weil der Äther, das heilige Feuer,[2] eine unauslöschbare Flamme ist, wie schon der Name zeigt, von lodern (αἲθειν), in der Umgangssprache: brennen, so genannt.[3] 157 Dafür zeugt ein einziger Teil der himmlischen Feuermasse, die Sonne, die trotz ihrer großen Entfernung von der Erde die Strahlen bis in ihr Inneres eindringen läßt und sowohl sie selbst als auch die von Natur kalte Luftmasse, die sich von ihr (der Erde) bis zum himmlischen Kreis erstreckt, teils erwärmt, teils erhitzt. Diejenigen (Gegenden) nämlich, welche weit entfernt sind von ihrem Bewegungskreis oder ihr schräg gegenüberliegen, erwärmt sie nur, die aber nahe oder gerade gegenüber gelegen sind, brennt sie sogar mächtig. 158 Wenn es sich aber damit so verhält, hätten dann nicht notwendig die Menschen, die hinaufzusteigen sich erdreisteten, wie durch den Blitz verbrennen müssen, also daß ihre hochfliegenden Absichten schon vereitelt wurden?[4] Darauf[5] scheinen mir die folgenden Worte hinzuweisen; denn es heißt: „Sie hörten auf, die Stadt und den Turm[6] zu bauen“ (1 Mos. 11, 8), sie haben es also nicht vollbracht, [429 M.] vielmehr waren sie in der Ausführung durch die darauf entstandene Verwirrung verhindert. Jedoch entgingen sie nicht der Anklage der Vollbringung, weil sie zur (bloßen) Beschlußfassung noch den Versuch hinzukommen ließen. [31] 159 So sagt eben das Gesetz von dem Vogel- und Zeichenschauer, der unnütz mit unsicheren Vermutungen sich befaßt – denn Bileam heißt: nutzloses (Volk) –[7], daß er dem Schauenden fluchte; obwohl er in Worten fromme Wünsche aussprach, weil nicht die Worte berücksichtigt werden, die durch Gottes Fürsorge, wie eine echte Münze statt einer falschen umgeprägt wurden,


  1. Himmel und Erde verhalten sich nach der das Altertum fast ausschließlich beherrschenden geozentrischen Auffassung (vgl. oben Anm. zu § 5) wie der Mittelpunkt eines Kreises zu seinem Umfange.
  2. Der Äther ist heilig als Wohnsitz der „unsichtbaren und sichtbaren Götter“ (Gestirne).
  3. Arist. De caelo I, 3 p. 7 im Namen des Anaxagoras.
  4. Infolge der Hitze der Sonne hätten sie ihre Absicht, in den Ätherraum hinaufzusteigen, nicht durchführen können.
  5. Philo knüpft an § 156 Anf. wieder an.
  6. Der MT hat hier nur die Stadt nicht und den Turm, worauf der Midrasch (M. Rabba z. St.) besonders Gewicht legt.
  7. בלעם‎ = בל עם ‎. Vgl. Über die Cherubim § 32-36.
Empfohlene Zitierweise:
Philon: Über die Verwirrung der Sprachen (De confusione linguarum) übersetzt von Edmund Stein. H. & M. Marcus, Breslau 1929, Seite 141. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:PhiloConfGermanStein.djvu/043&oldid=- (Version vom 1.8.2018)