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Philon: Über die Verwirrung der Sprachen (De confusione linguarum) übersetzt von Edmund Stein

die Gnade Gottes entstanden,[1] sich nicht auflöse ***.[2] 137 Denn das, was höher ist als die Kräfte,[3] wird als etwas Unfaßbares erkannt ****, (von dem man nichts mehr erfassen kann, als),[4] daß es ist. Dessen Kraft, durch die alles gegründet und geordnet wurde, wird richtig „Gott“ genannt.[5] Sie umfaßt das Weltall und durchdringt sämtliche Teile der ganzen Welt.[6] 138 Das Göttliche ist unsichtbar und unwahrnehmbar, allgegenwärtig und dennoch in Wahrheit nicht sichtbar und nicht wahrnehmbar ***.[7] „So stehe ich vor dir“ (2 Mos. 17, 6): während es scheinbar etwas ist, worauf man hinweisen und was man wahrnehmen kann, übertraf es das Geschaffene vor allem Hinweisen und Vorstellen.[8] 139 Kein einziger Ausdruck für die Bewegung durch Ortsveränderung paßt somit zum göttlichen Sein, wie das Nachoben, Nachunten, Nachrechts, Nachlinks, Nachvorn, Nachrückwärts. 140 In keinem dieser Worte wird (das Göttliche) erfaßt, da es als unbewegt den Ort nicht wechseln kann. Nichtsdestoweniger heißt es, daß Gott herabstieg, um zu sehen, obwohl er alles, nicht nur nachdem, sondern auch bevor es geschehen, klar erschaut, um der Ermahnung und Belehrung willen, daß kein Mensch auf Grund haltloser Vermutung voreilig dem Glauben schenke, wobei er nicht zugegen, (sondern) weit entfernt war; vielmehr soll er an die Angelegenheit näher herantreten, in die Einzelheiten Einsicht nehmen und sie sorgfältig beleuchten.[9] Denn


  1. Nach Wendlands Konj. θεοῦ χάρισι γεγενημένα. Vgl. Über die Wandl. Abr. § 183. Wendland, Rhein. Mus. 57, S. 27.
  2. Diese Stelle wie § 166 ἄλυτα εἶναι βεβούληται klingt an Platos Timäus 41 A an: τὰ μεν̀ δι' ἐμοῦ͂ γενόμενα ἄλυτα, ἐμοῦγε θέλοντος.
  3. Ph. scheint hier von dem ὁ ὦν, dem höchsten Sein, im Gegensatz zu den göttlichen Kräften zu sprechen. Von jenem können wir nichts mehr aussagen, als daß es sei. Alles andere übersteigt unsere Erfassungskraft. Darauf dürfte sich das folgende περιττεύειν beziehen.
  4. Ergänzt nach Wendland: οὐ κατα<λαμβανόμενον, εἰ μὴ κατά> τὸ εἶναι μόνον.
  5. Etymologisch: θεός Gott von τιθέναι einsetzen. Über die Lehre von θεός vgl. Bréhier, Idées de Philon 146.
  6. Die bei Ph. häufig vorkommende pantheistische stoische Auffassung. Vgl. Anm. zu Über die Geburt Abels § 68.
  7. Die Lücke ergänzt Wendland nach Über die Wand. Abr. § 183: sodaß jener Gottesspruch ganz der Wahrheit entspricht, in dem es heißt usw.
  8. Ph. nimmt das „vor“ nicht örtlich. Vgl. Anm. zu Alleg. Erkl. III § 4 und Über die Geburt Abels § 67; Über die Wand. Abr. § 183.
  9. Dieselbe Erklärung gibt auch der Midrasch Tanchuma zur Stelle, wie überhaupt der Midrasch Anthropomorphismen gern aus dem Bestreben deutet, ein Vorbild zu schaffen.
Empfohlene Zitierweise:
Philon: Über die Verwirrung der Sprachen (De confusione linguarum) übersetzt von Edmund Stein. H. & M. Marcus, Breslau 1929, Seite 136. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:PhiloConfGermanStein.djvu/038&oldid=- (Version vom 1.8.2018)