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Philon: Über die Verwirrung der Sprachen (De confusione linguarum) übersetzt von Edmund Stein

Feindin der Schlechtigkeit, und zerstört die Städte, die sie als Bollwerk gegen die arme Seele errichtet haben, und den Turm, dessen Name im Buche der Richter[1] deutlich genannt wird. 129 Dieser aber lautet, wie die Hebräer ihn nennen „Phanuel“, und wir „Gottesentfremdung“.[2] Denn die mittels der scheinbaren Glaublichkeit der Reden errichtete Festung hat keinen anderen Zweck, als die Abwendung und Ablenkung des Gedankens von der Ehrung Gottes. 130 Gibt es etwas Lasterhafteres als das? Allein zur Zerstörung dieser Festung ist der „Heimsucher“ der Ungerechtigkeit, der gegen sie unabläßlich etwas aussinnt,[3] gerüstet. Diesen nennen die Hebräer Gideon, was bedeutet „Heimsuchung“.[4] Denn es heißt: „Gideon schwur[5] den Mannen von Phanuel also: nach meiner Rückkehr im Frieden werde ich diesen Turm niederreißen“ (Richt. 8, 9). 131 Eine durchaus schöne und der das Schlechte hassenden und gegen die Gottlosen aufgebrachten Seele höchst geziemende Ruhmrede ist die Versicherung, ein jedes Wort, das den Gedanken zur Abwendung von der Frömmigkeit verleitet, niederzuhalten. Und so verhält es sich in der Tat. Denn kehrt der Geist zu sich zurück, so wird das, was in ihm (von Gott) abweicht und sich abwendet, wiederum[6] aufgelöst. 132 Der entsprechende Augenblick für dessen Vernichtung ist, wie es sonderbar lautet, nicht der Krieg, sondern der Friede. Wenn das Denken nämlich das Gleichgewicht besitzt sowie die Ruhe, die die Frömmigkeit zu schaffen pflegt, wird jede von der Gottlosigkeit erbaute Rede erschüttert. 133 Viele lassen auch die sinnliche Wahrnehmung, einem Turm gleich, so hoch heranwachsen, daß sie bis an die Himmelsgrenze reicht. Der Himmel ist sinnbildlich unser Geist, in dem die vorzüglichsten, göttlichsten Eigenschaften


  1. Wörtlich „im Buch der Richtersprüche“. Das ist schwerlich Schreibfehler (wie Wendland vermutet); vielmehr hat Philo von dem Inhalt des Buches, das er sonst nirgends anführt, kaum einen deutlichen Begriff.
  2. Von פנהsich abwenden und אלGott abgeleitet.
  3. Mit den Hss. φρονεῖν ohne Konj.
  4. Über die Etymologie gibt De somm. II § 35 Aufschluß, wo Gad als σύμβολον ἐπιθέσεως καὶ ἀντεπιθέσεως πειρατικῆς gedeutet wird. Ebenso übersetzt LXX גדוד‎ mit πειρατήριον. Unter πειράζειν versteht man sowohl versuchen als Seeräuberei treiben. Philo verwendet beide Bedeutungen: durch Angriff versuchen. Die deutsche Übers. will dem Rechnung tragen. Vgl. Wutz, Onom. I 270f.
  5. Die LXX hat wie der MT nur: er sprach (καὶ εἶπεν ויאמר‎).
  6. πάλιν ohne Konj.
Empfohlene Zitierweise:
Philon: Über die Verwirrung der Sprachen (De confusione linguarum) übersetzt von Edmund Stein. H. & M. Marcus, Breslau 1929, Seite 134. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:PhiloConfGermanStein.djvu/036&oldid=- (Version vom 1.8.2018)