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Philon: Über die Verwirrung der Sprachen (De confusione linguarum) übersetzt von Edmund Stein

noch weiter gehen, die nicht nur ihre eigenen Seelen in solchen (Bestrebungen) üben, sondern auch die Besseren vom schauenden Geschlechte[1] unter Anwendung von Gewalt dazu zwangen, Ziegel zu machen und befestigte Städte zu bauen (2 Mos. 1, 11)[2] für den sich als Herrscher dünkenden Geist, wodurch sie deutlich zeigen wollten, daß das Gute dem Bösen untertan sei, die Leidenschaft mehr vermöge als die Seelenfreude,[3] die Vernunft und alle Tugend dem Unverstande und jeglicher Schlechtigkeit untergeordnet sei, sodaß sie notgedrungen die Befehle des Gebieters ausführen. 92 Siehe, – heißt es nämlich – auch das klarste, reinste und überaus scharfblickende Seelenauge, dem allein es gegeben ist, Gott zu schauen, mit Namen Israel, einmal verstrickt in das ägyptische Netz der Körperlichkeit,[4] übernimmt es die schwersten Befehle, Ziegel und alles Erdhafte in mühseliger, ununterbrochener Arbeit herzustellen. Dabei ächzet es natürlicherweise und stöhnt, weil ihm nur das eine als Schatz in der Not geblieben ist, über die gegenwärtige Lage zu klagen. 93 Denn richtig heißt es: „es seufzten auf die Söhne Israels von der Arbeit“ (2 Mos. 2, 23).[5] Welcher Vernünftige würde nicht beim Anblick der Arbeit der meisten Menschen und der übermäßigen Anstrengungen, die sie um des Geldes, des Ruhmes oder des sinnlichen Genusses willen aufzubringen pflegen, niedergeschlagen sein und zu Gott, dem einzigen Erlöser aufschreien, er möge diese [419 M.] (Arbeit) erleichtern, Lösegeld und Kaufpreis für die Errettung der Seele entrichten, und sie in Freiheit setzen? 94 Welche Freiheit ist also die sicherste, (ja) welche? Es ist der Dienst des einzig Weisen, wie die Gottessprüche zeugen, in denen gesagt wird „Schicke mein Volk heraus, damit es mir diene“ (2 Mos. 7, 26). 95 Den Dienern des Seienden ist es aber eigen, keine Werke der Mundschenken, Bäcker und Köche, noch andere derartige irdische Dinge zu schaffen, noch Körper nach Art der Ziegel zusammenzusetzen, wohl aber, sich in Gedanken zur ätherischen Höhe zu erheben, nachdem sie Moses, das gottgeliebte Geschlecht, als Wegführer an ihre Spitze gestellt haben. 96 Denn dann werden sie den sichtbaren


  1. Die Söhne des gottschauenden Israel.
  2. Vgl. Über die Nachkommen Kains § 54; De somn. II § 77.
  3. Unter εὐπάθειαι versteht die Stoa, der Philo folgt, oft die erlaubten Freuden.
  4. Wörtlich: in das körperliche Netz Ägyptens.
  5. Vgl. Alleg. Erkl. III § 212; Über die Nachstellungen § 94f.; Über die Wand. Abr. § 15.
Empfohlene Zitierweise:
Philon: Über die Verwirrung der Sprachen (De confusione linguarum) übersetzt von Edmund Stein. H. & M. Marcus, Breslau 1929, Seite 125. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:PhiloConfGermanStein.djvu/027&oldid=- (Version vom 1.8.2018)