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Philon: Über die Verwirrung der Sprachen (De confusione linguarum) übersetzt von Edmund Stein

und die nächsten Arten bis zu den entferntesten (Unterarten) immerfort zu scheiden, zum Zwecke einer klaren Erkenntnis dieser Dinge und ihrer erfahrungsgemäßen Anwendung, die mehr lustreiche Genüsse zu gewähren scheint.[1] 86 So kommt herbei, sämtliche Gedanken wie Ratsleute in das Versammlungshaus der Seele, die ihr euch in Reih’ und Glied (zum) Verderben der Gerechtigkeit und aller Tugend aufgestellt habt, und laßt uns sorgsam erwägen, wie wir den Angriff leiten sollen, daß er uns gelinge! 87 Des Erfolges feste Grundlage ist eben folgendes: die Gestaltung des Gestaltlosen durch Prägung und die Sonderung eines jeden Dinges durch Form und Umriß, sodaß es nicht mehr wanket noch wackelt, sondern [418 M.] fest aufgestellt sei, der Natur der viereckigen Figur ähnlich, – denn diese eben ist unumstößlich – damit es wie ein Sockel[2] unbeweglich wohlbefestigt auch das ertrage, was darüber gebaut werden soll. [19] 88 Als Bildner solcher Dinge wird ein jeder gottesfeindliche Geist, den wir König Ägyptens, des Körpers, nennen, befunden. Denn auch dieser wird von Moses als einer, der an Ziegelbauten Freude hat, vorgeführt.[3] 89 Denn wenn jemand, indem er die feuchte Wassermasse und die trockene (Masse) der Erde bis zur Auflösung und zum völligen Aufgehen einmischt, ein drittes den beiden Ähnliches herstellt, das Lehm genannt wird, so wird er nicht aufhören, diesen in Teile zu zerlegen und einem jeden Stück die richtige Form zu verleihen, damit es umso wohlgefügter und tragfähiger werde; auf diese Weise nämlich wird das Unternehmen leicht verwirklicht. 90 Das nachahmend, zerlegen die von Natur Elenden, nachdem sie die vernunftlosen, überwuchernden Triebe der Affekte mit den schwersten Untugenden vermengt haben, die Mischung in Arten, bilden und formen sie, die Unglückseligen, wodurch eine hochragende Verschanzung gegen die Seele errichtet wird: die Sinnlichkeit (zerlegen sie) in Gesicht und Gehör, ferner Geschmack, Geruch und Tastsinn; die Affekte in Lust, Gier, Furcht und Schmerz[4] das Geschlecht der Untugenden in Unbesonnenheit, Zügellosigkeit, Feigheit, Ungerechtigkeit[5] und andere diesen ähnliche und verwandte Eigenschaften. [20] 91 Jedoch gibt es auch solche, die


  1. Die Lehre, daß man durch Unterteilung eine Sache besser erkennt, findet sich bei Philo auch sonst, z. B. Über die Einzelges. I § 209f.
  2. Das griechische Wort πλίνθος bedeutet Ziegel und übertragen Sockel wegen seiner viereckigen, dem Ziegel ähnlichen Gestalt.
  3. 2 Mos. 1, 14.
  4. Stoische Einteilung der Affekte.
  5. Gegenbegriffe der griechischen vier Grundtugenden.
Empfohlene Zitierweise:
Philon: Über die Verwirrung der Sprachen (De confusione linguarum) übersetzt von Edmund Stein. H. & M. Marcus, Breslau 1929, Seite 124. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:PhiloConfGermanStein.djvu/026&oldid=- (Version vom 1.8.2018)