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Philon: Über die Verwirrung der Sprachen (De confusione linguarum) übersetzt von Edmund Stein

und ein Zugewanderter bin ich unter euch“ (1 Mos. 23, 4); Eingeborene aber seid ihr, die Staub und Schutt mehr als die Seele geehrt und des Vorsitzes den Mann mit Namen Ephron, der Erdscholle bedeutet,[1] würdig befunden. 80 Mit Recht klagt auch der Asket Jakob darüber, daß er Beisasse im Körper sei, und sagt: „die Tage meiner Lebensjahre, die ich als Beisasse zubringe, sind wenig und leidvoll, sie reichten nicht heran an die Tage meiner Väter, die sie als Beisassen zubrachten“ (1 Mos. 47, 9). 81 Dem Selbstbelehrten aber ward folgender Gottesspruch: „Ziehe nicht hinab nach“ – der Leidenschaft – „Ägypten, lasse dich nieder in der Erde, die ich dir anzeigen werde“ (1 Mos. 26, 2),[2] der unsichtbaren und körperlosen Vernunft, und bleibe als Beisasse in dieser Erde, dem sichtbaren und wahrnehmbaren Sein; damit gezeigt wird, daß der Weise in dem wahrnehmbaren Körper wie in der Fremde als Beisasse wohnt, dagegen ist er ansässig wie in einem Vaterlande in den geistigen Tugenden, die Gott ausspricht, und die den göttlichen Gedanken gleichkommen.[3] 82 Moses aber sagt: „ich bin Beisasse in einem fremden Lande“ (2 Mos. 2, 22), indem er vortrefflicherweise das Verbleiben in dem Körper nicht nur als ein Zugastsein ansieht,[4] wie es die Beisassen (tun), sondern es sogar als etwas betrachtet, das der Entfremdung nicht aber des Heimischwerdens würdig ist.

[18] 83 Da aber der Schlechte will, daß die Gleichsprachigkeit und Gleichzüngigkeit nicht sowohl in den Namen und Worten als in der Gemeinsamkeit der rechtswidrigen Handlungen zutage trete, fängt er an, eine Stadt und einen Turm, wie eine Zwingburg einem Tyrannen, der Schlechtigkeit zu errichten und ruft zur Beteiligung am Werke sämtliche Genossen herbei, die das entsprechende Material wohl vorbereiten sollen. 84 „Wohlan“, – heißt es nämlich – „wir wollen Ziegel machen und sie im Feuer brennen“ (1 Mos. 11, 3); das besagt soviel als: jetzt sind sämtliche Teile unserer Seele durcheinander gewürfelt und geschüttet, sodaß kein einziger Zug irgendwelcher Form klar hervortritt; 85 es ist aber angebracht, nachdem wir die Leidenschaft und die Schlechtigkeit gleichsam als eine gestalt- und eigenschaftslose Substanz übernommen, sie in die entsprechenden Eigenschaften


  1. Abgeleitet von עפר‎. Daran, daß Abraham nach V. 10 „in mitten“ der Söhne Hets sitzt, stößt sich Philo nicht.
  2. Vgl. Über die Nachstellungen § 46; Über die Wand. Abr. § 29.
  3. Vgl. Über die Weltschöpfung § 16; Über die Nachkommen Kains § 91.
  4. Ph. spielt mit dem Worte ξένη, das gastlich und fremd bedeutet.
Empfohlene Zitierweise:
Philon: Über die Verwirrung der Sprachen (De confusione linguarum) übersetzt von Edmund Stein. H. & M. Marcus, Breslau 1929, Seite 123. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:PhiloConfGermanStein.djvu/025&oldid=- (Version vom 1.8.2018)