Seite:PhiloConfGermanStein.djvu/023

Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
Philon: Über die Verwirrung der Sprachen (De confusione linguarum) übersetzt von Edmund Stein

Gehör zustande kommt, beseitigen, indem er sprach: „wohlan, fluche mir Jakob, und wohlan, verwünsche mir Israel“ (4 Mos. 23, 7), was soviel heißt als: komme, löse beides auf, das Schauen und das Hören der Seele, damit sie nichts Wahres und wirklich Schönes sehe noch höre. Denn Israel ist Sinnbild des Schauens und Jakob des Hörens.[1] 73 Der Geist dieser Menschen legt, wie in Erschütterung,[2] das Wesen des Guten ganz [416 M.] ab, während andererseits der (Geist) der Edlen, der sich die ungetrübte und reine Idee des Guten zueigen macht, das Schlechte abschüttelt und verwirft. 74 Beachte nämlich, wie der Asket spricht: „Schafft weg die fremden Götter, die unter euch sind, aus eurer Mitte, und reinigt euch, und wechselt eure Kleider, und laßt uns aufstehen und nach Bethel hinaufziehen“ (1 Mos. 35, 2. 3), damit, auch wenn Laban[3] zu suchen aufgefordert wird,[4] im ganzen Hause keine Trugbilder[5] gefunden werden (1 Mos. 31, 35), <sondern> was Grund und Boden hat und wirklich existiert, eingeritzt in der Seele des Weisen, woran auch das selbstbelehrte Geschlecht, Isaak,[6] als Erbe Anteil hat. Denn „das Existierende“ übernimmt er allein von seinem Vater (1 Mos. 25, 5).[7]

[17] 75 Beachte, daß es nicht heißt, daß sie gekommen sind nach der Ebene, wo sie verblieben, sondern, daß sie nach eifrigem Suchen und Spähen einen der Unvernunft ganz entsprechenden Ort „fanden“. Denn in der Tat nimmt der Unvernünftige die Laster nicht zueigen von einem anderen, sondern sucht sie sich selbst auf und macht sie ausfindig, da er sich mit jenen allein nicht begnügt, denen sich seine elende Natur von selbst zuwendet, sondern noch die durch die Anwendung


  1. Der gottschauende Israel ist ein Symbol der Vollkommenheit, da das Schauen eine höhere Erkenntnisstufe bildet als das Hören (s. ob. § 57). Dagegen ist Jakob als Zustand des in der Tugend fortschreitenden Asketen aufgefaßt. Er bezeichnet die Stufe des mühsamen Lernens und Hörens: Über die Trunkenheit § 82; Über die Wand. Abr. § 38; Der Erbe des Göttlichen § 78; Über Abraham § 12.
  2. Weiterführung der Untersuchung des „Erschütterns“.
  3. Laban ist bei Ph. der Anbeter der äußeren Scheingüter; vgl. Über die Wand. Abr. § 28.
  4. ἐρευνᾶν αἰτῆται muß es heißen, wenn anders die Lesart αἰτῆται aufrecht erhalten bleiben soll. 1 Mos. 31, 32 ist es nicht Laban, der eine Untersuchung verlangt, sondern Jakob, der es von Laban verlangt.
  5. Εἴδωλον heißt Götzenbild und Trugbild. Vgl. Über die Einzelg. I § 25ff.
  6. Vgl. oben Anm. zu § 59.
  7. Vgl. Über die Geburt Abels § 43; Über die Wand. Abr. § 94; Über die Tugenden § 207.
Empfohlene Zitierweise:
Philon: Über die Verwirrung der Sprachen (De confusione linguarum) übersetzt von Edmund Stein. H. & M. Marcus, Breslau 1929, Seite 121. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:PhiloConfGermanStein.djvu/023&oldid=- (Version vom 1.8.2018)