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Philon: Über die Verwirrung der Sprachen (De confusione linguarum) übersetzt von Edmund Stein

solchen, die geneigt sind denjenigen Glauben zu schenken, die auslugend und betrachtend, da sie sich auf das zuverlässigere Zeugnis des Auges lieber verlassen als auf das Ohr, den Glauben zu vertreten gesonnen sind, daß alles Sterbliche voller Unsicherheit und nur vom Scheine abhängig ist.[1] 58 Bewundernswert ist somit die genannte Übereinstimmung, aber die größte Bewunderung verdient und jede Harmonie übertrifft jene Alle umfassende, in welcher nach dem Bericht (der Schrift) „das ganze Volk einmütig“ spricht: „alles was Gott gesagt hat werden wir tun und hören“.[2] 59 Diese gehorchen nämlich nicht mehr dem leitenden Logos[3] sondern Gott, dem Lenker des Alls, und kommen daher[4] eher zu den [414 M.] Taten als zu den Worten. Denn während andere tun, nachdem sie gehört haben, sagen diese, was ganz sonderbar ist, in göttlicher Eingebung, daß sie zuerst tun werden und danach hören; damit es ersichtlich werde, daß sie nicht durch Unterricht und Anleitung, sondern von selbst und aus eigenem Antrieb an die schönen Werke herantreten.[5] Aber sie sagen, daß sie


  1. Zum sprichwörtlichen ὀφθαλμοὶ ὤτων ἀκριβέστεροι (die Augen sind klarer als die Ohren) vgl. Über die Geburt Abels § 34 und Anm. [Philo unterscheidet eine niedere Klasse von Frommen, die sich nach dem Auge richtet, von einer höheren, die sich nur nach Gott selbst richtet; die § 59 erwähnten, die nicht unmittelbar Gott, sondern dem Logos gehorchen, scheinen mit den ersteren identisch zu sein; sonst wären drei Stufen anzunehmen. Die § 57 erwähnten fand er meines Erachtens 2 Mos. 19, 4: „Ihr habt gesehen, was ich den Ägyptern getan habe ...; wenn ihr jetzt hören werdet, so werdet ihr usw.; denn mein ist die ganze Erde.“ Sie stellen also das Sehen voran: zur Methode der Deutung vgl. § 59 Anfang (daher die Absage an das Nichtgöttliche § 57 Ende). Es sind wohl dieselben, denen Moses nach Vers 7 die Logoi Gottes verlegte. Vgl. auch folgende Anm.] I. H.
  2. Bei Mangey und Wendland ist irrtümlich als Quelle LXX Deut. 5, 27 = 30 MT angegeben, wo das (im MT fehlende) Hören voransteht; Philo meint 2 Mos. 19, 8 (vgl. 24, 7).
  3. S. die Anm. zu § 57.
  4. Statt δι' ὃν ist wohl mit Wendland δι' ὃ zu lesen.
  5. Als solche Gesinnungsart wird bei Ph. Isaak geschildert, der durch die glückliche Anlage (εὐφυΐα) nur das Gute sucht. Diese „angeborene“ Weisheit wird Quaest. in Gen. III § 59 mit dem Sehen, die erlernte aber mit dem Hören verglichen. Darauf scheint § 57 anzuspielen.
Empfohlene Zitierweise:
Philon: Über die Verwirrung der Sprachen (De confusione linguarum) übersetzt von Edmund Stein. H. & M. Marcus, Breslau 1929, Seite 117. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:PhiloConfGermanStein.djvu/019&oldid=- (Version vom 1.8.2018)