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Philon: Über die Verwirrung der Sprachen (De confusione linguarum) übersetzt von Edmund Stein

Knechte haben die Gesamtzahl der Kriegsleute, die mit uns zusammen sind, aufgenommen; keiner von ihnen war anders gestimmt“ (4 Mos. 31, 49),[1] sondern wie die musikalischen Instrumente, deren sämtliche Töne höchlich übereinstimmen, so stimmten wir in allen Lehren überein, sprachen weder ein mißtönendes, verletzendes Wort, noch verübten wir ein solches Werk, sodaß wir den anderen Chor, den der Musenfeinde, als ganz mißklingend und leblos bloßstellten,[2] verhöhnten[3] sowohl die Pflegerin der körperlichen Dinge Madiam[4] und ihren Sprößling, die hautartige Bürde, Belphegor genannt, [5]der in Schlaf versenkt ist.[6] 56 Denn wir sind das Geschlecht „der Auserwählten“, des gottschauenden[7] „Israel“, von denen keiner anders gestimmt war (2 Mos. 24, 11),[8] damit die Lyra[9] des Alls, die ganze Welt, in Harmonie wohlklingend gestimmt sei. 57 Deshalb sagt auch Moses, daß der sehr kriegerischen Rede, Phineas genannt,[10] zum Preis der Friede gegeben wird, weil er in dem Eifer für die Tugend den Kampf gegen das Böse aufnahm und ihre ganze Brut ausrottete[11] ***,[12] sodann


  1. So muß man nach Philo übersetzen. Der MT hat ולא נפקדund keiner wurde vermißt. Die LXX gibt διαπεφώνηκεν, das ausklingen, daher den Geist aushauchen, sterben bedeutet. Philo nimmt es wörtlich, ebenso Über die Trunkenheit § 116, dagegen De mut. nom. § 109 im Sinne von sterben.
  2. Der Schlechte ist ein lebendiger Leichnam, Vgl. Über die Nachkommen Kains § 39 u. ö.
  3. Nach der Konjektur von Wendland γελάσαντες.
  4. Zur Etymologie von Madiam als der vom Göttlichen Ausgeschlossenen vgl. Alleg. Erkl. III § 243 nebst Anm.; sie ist die Sinnlichkeit (ebd. § 244). Nach 4 Mos. 35, 1ff. ging der Feldzug gegen die Midianiter, die Anbeter des Belphegor (25, 3).
  5. Zu Belphegor vgl. die Hauptstelle De mut. nom. § 106, wo der Name als ἀνωτέρω στόμα δέρματος (ב + על + פה + עול‎) gedeutet wird. Vgl. Alleg. Erkl. III § 244; Über die Nachkommen Kains § 137.
  6. Eine Anspielung auf den Alleg. Erkl. II § 25ff. ausgeführten Gedanken, daß das Erwachen der Sinnlichkeit ein Schlafen des Geistes bedeute.
  7. Etymologie איש רואה אל‎ oder vielleicht richtiger ישור אל‎.
  8. Die LXX liest: ומאצילי בני ישראל לא נפקד איש‎. Zum Doppelsinn von διαφωνεῖν s. die Anm. zu § 55.
  9. Philo schreibt etwas allgemeiner τὸ ὄργανον, das (Musik)instrument – in Anknüpfung an eines seiner Lieblingsbilder, die heraklitisch-stoische Vorstellung von der Harmonie des Alls.
  10. Phineas wird Über die Nachkommen Kains § 182 στόματος φιμός, Bändigung der Begierde gedeutet. Zur Etym. vgl. Anm. zur Stelle. Sein kriegerischer Charakter wird aus seinem Auftreten erschlossen.
  11. Daß Phineas der Midianiterin den Schoß durchbohrte (4 Mos. 25, 7), wird Alleg. Erkl. III § 242 sinnbildlich als die Ausrottung der Laster im WS: Die auf der nächsten Seite fortgesetzte Anmerkung wurde hier vervollständigt Keime gedeutet. Vgl. Leben Moses I §30f.; Über d. Einzelges. I § 56ff. Alleg. Erkl. III § 342; Über die Trunkenheit § 73.
  12. Cohn und Wendland haben gesehen, daß hier eine Lücke klafft. Man muß ungefähr ergänzen: der Friede kommt zuerst dem Eiferer für die wahre Tugend und Gegner der Sinnlichkeit, sodann...
Empfohlene Zitierweise:
Philon: Über die Verwirrung der Sprachen (De confusione linguarum) übersetzt von Edmund Stein. H. & M. Marcus, Breslau 1929, Seite 116. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:PhiloConfGermanStein.djvu/018&oldid=- (Version vom 1.8.2018)