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oder unbewußt verriet, geworden zu sein. So wurde die Stellung des Königs und des Hofes zu den Jünglingen immer unfreundlicher; immerhin hatte damals das Mißtrauen das väterliche Gefühl noch nicht ganz erstickt, und so ist es bei einer Aussprache zu einer Versöhnung mit den Söhnen gekommen (bell. Iud. I 481f.; ant. Iud. XVI 205. Es ist jedoch nicht ganz ausgeschlossen, daß diese Aussöhnung auf einer Dittographie des Josephus beruht, der in diesem ganzen Abschnitt, wie uns vor allem ein Vergleich von bell. Iud. I 468–487 mit ant. Iud. XVI 188–228 zeigt, der Gliederung seines Stoffes nicht gewachsen gewesen ist. Immerhin ist das Bild, das Josephus von der zu zweit von ihm geschilderten Aussöhnung entwirft, von dem der ersten so verschieden, daß man wohl beide beibehalten kann. Wellhausen 333, 2 scheint nur eine Aussöhnung in Betracht zu ziehen).

Nicht lange darauf haben jedoch Pheroras und Salome den Versuch gemacht, Alexandros gegen seinen Vater durch die Mitteilung, dieser unterhalte ein Verhältnis mit Glaphyra, von neuem aufzuhetzen. Alexandros hat aber auf diese Mitteilung hin umgehend eine offene Aussprache mit dem Vater herbeigeführt, und bei ihr sind die beiden Geschwister, die sich gegenseitig beschuldigten, als Verleumder entlarvt worden (ant. Iud. XVI 206–219. Im bellum fehlt die entsprechende Schilderung; es ist in ihm in § 483 nur die Einleitung zu ihr vorhanden, die jedoch offenbar wegen der auf sie folgenden Einlage [s. S. 133 Anm.] nicht fortgeführt worden ist). Der König ist daraufhin von Unwillen gegen seine Geschwister erfüllt gewesen; gegen Pheroras auch noch deswegen besonders, weil dieser damals zum zweitenmal die Heirat mit einer Tochter des Königs ausgeschlagen hatte, da er sich trotz aller Versprechungen von seiner langjährigen Geliebten, die er dann schließlich auch geheiratet hat, nicht trennen konnte (ant. Iud. XVI 196–200. 215. 267; bell. Iud. I 506; vgl. XVII 34ff. Für die erste Weigerung des Pheroras, eine Ehe mit einer königlichen Prinzessin einzugehen, die wohl noch in die 20er Jahre zu setzen sein dürfte, s. bell. Iud. I 483f.; ant. Iud. XVI 194f.).

Leider hat in der Folgezeit der junge Alexandros selbst dazu beigetragen, den Argwohn des Vaters von [RE:134] neuem anzufachen (bell. Iud. I 489–491; ant. Iud. XVI 229–234). Er gebrauchte die drei vertrautesten Eunuchen des Königs als seine παιδικά; als dies H. angezeigt wurde – bei der Anzeige steckte wohl Antipatros dahinter, ant. Iud. XVI 232 – ließ dieser die Eunuchen peinlich verhören, und diese bekannten auf der Folter, daß Alexandros in der Erwartung auf die Unterstützung des Heeres und der Großen des Reiches unter Nichtberücksichtigung der Thronfolgeordnung dereinst allein König zu werden hoffe, eine Aussage, die wohl der Wahrheit entsprochen haben wird (daß die Gefolterten kein gegen H. bei dessen Lebzeiten geplantes Komplott des Alexandros bekannt haben, scheint mir aus der Darstellung der antiquitates zu folgen; ähnlich urteilt im Gegensatz zu anderen Wellhausen 333). Der König geriet über diese Aussagen außer sich vor Wut und Schrecken. Er glaubte niemandem, selbst alten Vertrauten, mehr vertrauen zu können; sein Argwohn wurde [138] nun krankhaft. Ein Schreckensregiment brach herein; das königliche Spionagesystem wurde noch weiter ausgebaut, und den mannigfachen Verleumdungen und Anzeigen fielen sehr viele zum Opfer. Der Haupthetzer bei allem, der den König zu immer weiterem Vorgehen anspornte, war Antipatros. Schließlich sagte einer der Anhänger des Alexandros auf der Folter das aus, was Antipatros wünschte: Alexandros habe sogar die Ermordung des Vaters und darauf die Flucht nach Rom geplant. Es fand sich zudem ein Brief des jungen Mannes an seinen Bruder mit allerlei Klagen über den Vater und verstärkte den Unmut des Königs.

Alexandros wurde als Hochverräter gefangen gesetzt, und hierauf gelang es, bei weiteren Folterungen, noch ferneres Belastungsmaterial herauszupressen, wobei die Angaben immer spezieller und übertriebener wurden (bell. Iud. I 488–497; ant. Iud. XVI 229–254. In den antiquitates dürfte der letzte Anlaß zur Verhaftung richtig angegeben sein; wenn im bellum das zur Verhaftung führende Moment erst für die Zeit nach dieser berichtet wird, so hängt dies wohl damit zusammen, daß hier die weiteren nach der Verhaftung erpreßten Aussagen gegen Alexandros ganz übergangen sind). Alexandros mochte sich bereits verloren glauben, aber er wollte nicht allein fallen, sondern seine Gegner mit ins Verderben hineinziehen. Er gab wiederholt, in vier Schriftstücken an seinen Vater, das Komplott gegen diesen zu und nannte zugleich Mitverschworene, und zwar außer den höchsten Würdenträgern des Reiches auch Pheroras und Salome (bell. Iud. I 498; ant. Iud. XVI 255–260). Dieses Eingeständnis der eigenen Schuld wird man wohl als eine Tat der Verzweiflung zu fassen haben, und nicht als eine Bestätigung für die Wahrheit der Anklage; denn nach dem Tode des Königs hat selbst Nikolaos von Damaskos die Nachstellungen der Mariammesöhne gegen ihren Vater als nicht bewiesen angesehen (frg. 5 [FHG III 351] und hierzu S. 4*). S. ferner ant. Iud. XVI 255, wo gleichfalls das ganze als ,Verleumdung‘ charakterisiert wird. Auch die immer weitergehenden Anschuldigungen [§ 253f.], die auf der Folter erpreßt werden [ihre Falschheit ist schon damals festgestellt worden; s. auch die Angabe über [RE:135] den Partherkönig, dessen falscher Name wohl einfach auf die Unwissenheit des Angebers zurückzuführen sein dürfte], lassen die erste Aussage unwahrscheinlicher erscheinen).

H. geriet auf diese Enthüllungen hin in die wahnsinnigste Aufregung. Es war ein Glück, daß damals der schlaue Kappadokerkönig Archelaos, Alexandros’ Schwiegervater, herbeieilte, um wenn möglich durch sein Eingreifen Vater und Sohn auszusöhnen (hierüber bell. Iud. I 499–512; ant. Iud. XVI 261–270, dies letztere wohl nach Nikolaos). Er ging zunächst auf die fixen Ideen des Königs scheinbar ganz ein und schien sogar diesen an Zorn noch zu übertrumpfen. So gewann er dessen Vertrauen. Bei H. begann aber gerade gegenüber den Zornesausbrüchen des Archelaos seine eigene wahnsinnige Wut zu schwinden. Ferner mag dem Könige der große Eklat, den sein Vorgehen gegen seinen Sohn

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Walter Otto: Herodes. Beiträge zur Geschichte des letzten jüdischen Königshauses. Metzler, Stuttgart 1913, Seite 137. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Otto_Herodes.djvu/089&oldid=- (Version vom 1.8.2018)