erscheint, so hat man dies wohl nicht als Ausfluß einer minderen völkerrechtlichen Stellung des Königs zu fassen, sondern muß es als Ausnahmefall werten, der auf den Wunsch des H. nach vollem Schutz seiner Herrschaft zurückzuführen ist (s. S. 44).
Zwei wichtige Privilegien der Freistaaten im Römerreich hat mithin auch der jüdische Staat besessen, und ferner scheinen außer der Kirchenhoheit (s. S. 115) dem König die Militär-, die Gerichts-, die Finanz- und die Amtshoheit unumschränkt zugestanden zu haben. So hat er eigenes Militär besessen, das sich aus fremden Söldnern[1] und aus Landeskindern, vor allem anscheinend Idumäern und später aus Bewohnern von Sebaste, zusammengesetzt hat (s. etwa bell. Iud. I 290. 355. II 52. 55; ant. Iud. XIV 394. XVI 292. XVII 270). Es sind dies einmal stehende Truppen – Fußvolk und Reiterei – (s. z. B. bell. Iud. I 366. 461. 528. 658. 666ff. II 3. 12. 52; ant. Iud. XV 247ff. 294. 298. 317. XVII 172. 194ff. 202. 217f. 266), die einige 1000 Mann stark gewesen sind (vgl. bell. Iud. II 52, auch 55; ant. Iud. XVI 285 [292]. XVII 266, auch 270). Ob von Rom eine Höchstzahl für das stehende Heer vorgeschrieben war, was an sich sehr wohl möglich wäre (vgl. etwa ant. Iud. XVIII 251f.), wissen wir nicht. Die Offiziere [2], auch die Befehlshaber der Festungen [RE:57] (φρούραρχοι, s. bell. Iud. I 528. II 18; ant. Iud. XVI 317. XVII 223) durfte H. selbst ernennen (bell. Iud. I 461; ant. Iud. XV 249f. XVII 223. 232). Einen gewissen Einfluß hat allerdings Rom auf das Heer des Königs auszuüben verstanden; [60] denn es begegnen uns in ihm in leitenden Stellungen römische Instruktionsoffiziere (s. den στρατοπεδάρχης Volumnius, bell. Iud. I 535; ferner wohl die Kommandeure der Infanterie und der Kavallerie zur Zeit des Todes des Königs, Rufus und Gratus, bell. Iud. II 52; ant. Iud. XVII 266. Den ἵππαρχος Iucundus bell. Iud. I 527 darf man dagegen trotz seines Namens nicht als solchen fassen, da ihn der König ohne weiteres foltern läßt). Ob das Heer überhaupt nach römischem Muster organisiert gewesen ist oder ob nicht doch das hellenistische Heerwesen einen starken Einfluß ausgeübt hat, läßt sich, da uns eigentlich nur die Titel der Offiziere bekannt geworden und diese nicht eindeutig sind, nicht entscheiden.
Außer dem stehenden Heer hat der König noch über allenthalben wohl zumeist als geschlossene Militärkolonien angesiedelte alte Soldaten und andere Ansiedler verfügt, die von ihm mit Land ausgestattet wurden (s. ant. Iud. XV 290. 296 [bell. Iud. I 403]. XVI 285. 292. XVII 23–31; vgl. auch ant. Iud. XVII 270 [bell. Iud. II 53]. Für Kaisareia scheint mir schon durch bell. Iud. I 544; ant. Iud. XVI 375 das Vorhandensein einer von H. I. begründeten Militärkolonie zum mindesten sehr nahe gelegt zu werden; man darf aber wohl sogar mit einer solchen als etwas ganz Sicherem rechnen, da uns zur Zeit Agrippas I. Καισαρεῖς neben den Sebastenern als Bezeichnung einer Truppenabteilung begegnet, ant. Iud. XIX 356–365. XX 176). Daß das den Angesiedelten zugewiesene Land in deren vollen Besitz übergegangen ist, dafür haben wir keinen Anhaltspunkt[3]; es spricht sogar der Bericht über den besonderen Abgabendruck, dem die einzelnen Militärkolonisten in der Batanaia nach dem Tode des H. ausgesetzt waren, direkt dagegen (s. ant. Iud. XVII 25–28: der anfangs gewährten ἀτέλεια ist zuerst eine Zeit der κουφοτέλεια gefolgt und schließlich sind die Abgaben in vollem Umfange erhoben worden). Wir haben bei diesen Landanweisungen eben doch wohl an richtige κλῆροι, also an Militärlose, zu denken. Diese ‚Kleruchen‘ [RE:58] sind wohl durchweg – für die Grenzer in der Trachonitis ist uns dies direkt belegt, und die Grenzmilitärkolonien Esbon und Gaba (s. S. 82.) weisen uns wenigstens hierauf hin – zu militärischen Diensten verpflichtet gewesen (ant. Iud. XVI 285. 292. XVII 23–31); auch haben sie, zum mindesten zu einem größeren Teil, den Ersatz für die stehenden Truppen geliefert (s. die Truppenabteilung der Σεβαστηνοί zur Zeit von H.s Tode, bell. Iud. II 52 u. passim; vgl. ferner das soeben über die Καισαρεῖς Bemerkte und dann ant. Iud. XVII 19ff., besonders 29–31, sowie auch Dittenberger Syll. (or.) I 425, wo – wenn auch erst für die Zeit Agrippas II. – eine als ἱππεῖς κολωνῖται bezeichnete Truppe erwähnt wird [s. meinen Artikel Herodes Nr. 22 in Pauly-Wissowas Realenzykl. Suppl.-Heft II 166f.]). Es haben also damals im jüdischen Reiche militärische Einrichtungen ähnlich denen der hellenistischen Reiche und der Kaiserzeit bestanden
- ↑ Es werden Kelten, Thraker und Germanen genannt (bell. Iud. I 290. 397. 437. 672; ant. Iud. XIV 394. XV 217. XVII 198). Auf das starke Vorhandensein von Nichtjuden im Heere des Königs, und zwar gerade unter seiner Leibgarde, weisen auch die Orte Gaba und Esbon hin, die von H. zu Militärkolonien ausgestaltet worden sind (s. S. 82f.), und die zu Beginn des jüdischen Aufstandes wegen ihres heidnischen Charakters von den Juden überfallen wurden (bell. Iud. II 458f.).
- ↑ Wir kennen ἡγεμόνες (s. z. B. bell. Iud. I 491. 546. 550. 673; ant. Iud. XVI 134. 386. 393. XVII 173. 195. Es scheint, als wenn ἡγεμών bei Josephus zumeist, wenn auch nicht immer, keine bestimmte Offizierscharge anzeigen soll, sondern als allgemeine Bezeichnung zu fassen ist), ferner ταξίαρχοι (bell. Iud. I 461. 491. 673; ant. Iud. XVII 199), λοχαγοί (ant. Iud. XVII 199), χιλίαρχοι (s. o.), ἵππαρχοι (bell. Iud. I 527), einen στρατοπεδάρχης bell. Iud. I 535). Bezüglich der στρατηγοί s. S. 62. Daß die hier genannten griechischen Titel im allgemeinen auch wirklich geführt worden und nicht etwa nur mehr oder weniger genaue Wiedergaben aramäischer Titel sind, dafür spricht außer dem ganzen Charakter des herodianischen Heeres mit seinen zumeist nicht jüdischen Soldaten und römischen Instruktionsoffizieren auch die Aufnahme der Titel ‚ταξίαρχος‘ und ‚χιλίαρχος‘ als Lehnwörter ins Aramäische, s. S. Krauss Griech. u. lat. Lehnwört. i. Talmud, Midrasch u. Targum II 98. 285. Man wird wohl Griechisch als die Kommandosprache des Heeres annehmen dürfen.
- ↑ Es ist z. B. sogar nicht nötig, daß das Land der Kolonisten der Stadt Sebaste dem Stadtterritorium zugeschlagen und insofern Privateigentum geworden ist; für die ganze Frage s. Rostowzew Stud. z. Gesch. d. röm. Kolon. 248ff.
Walter Otto: Herodes. Beiträge zur Geschichte des letzten jüdischen Königshauses. Metzler, Stuttgart 1913, Seite 59. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Otto_Herodes.djvu/050&oldid=- (Version vom 8.11.2022)