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verschiedene: Meyers Konversations-Lexikon, 4. Auflage, Band 9

Kalottisten (Régiment de la Calotte), eine franz. Gesellschaft, die gegen das Ende der Regierung Ludwigs XIV. entstand und unter dem zur Schau getragenen Charakter der Narrheit eine sittenrichterliche Wirksamkeit ausübte, in ähnlicher Weise, nur weniger harmlos, wie die „Babinische Republik“. Sie erteilte allen, welche sich durch Thorheit lächerlich machten, besondere Patente, führte Abzeichen, wie Schellen, Klappern u. dgl., wurde aber unter Fleurys Ministerium aufgelöst. Vgl. „Mémoires pour servir à l’histoire de la Calotte“ (Basel 1725).

Kalotypīe (griech.), „Schöndruck“, nach dem Erfinder auch Talbotypie), s. v. w. Photographie auf Papier (s. Photographie); kalotypes Papier, veralteter Name für lichtempfindliches Papier zur Darstellung von Photographien.

Kalpak (türk.), ein Hut tatar. Ursprungs, besteht aus einer von Lammfellen verfertigten großen Mütze, bei den ansässigen Tataren von plumper, massiver, bei den Nomaden von kleinerer und gefälligerer Form. In der Türkei wurden mit K. die den Armeniern vorgeschriebenen hohen Filzmützen bezeichnet; von dort ging das Wort ins Ungarische über, wo der K. noch heute ein Stück des magyarischen Nationalkostüms bildet. Außer Ungarn führten noch einige andre europäische Länder den K. in der Uniform ihrer Armeen (s. Kolpack) ein.

Kalpe, im Altertum Name des Felsens von Gibraltar, der mit dem gegenüberliegenden Abila auf der Küste Afrikas (beim heutigen Ceuta) die „Säulen des Herkules“ bildete.

Kalpi, Stadt in den britisch-ind. Nordwestprovinzen, Division Dschansi, an der Dschamna, mit (1881) 14,306 Einw., Zuckerkandis- und Papierfabriken, deren Produkte in ganz Indien berühmt sind, und Handel mit Baumwolle aus den umliegenden Ebenen. In der Nähe das weite Ruinenfeld der alten zerstörten Stadt mit einigen noch wohlerhaltenen Prachtbauten.

Kalpo (Calpo), Handelsgewicht auf Sardinien, = 10 Cantarelli = 422 kg.

Kalquieren, s. Kalkieren.

Kals, Dorf in der Tiroler Bezirkshauptmannschaft Lienz, Gerichtsbezirk Windisch-Matrei, 1321 m ü. M., mit (1880) 1049 Einw., bekannt als einer der geeignetsten Ausgangspunkte für die Besteigung des Großglockner.

Kalt., bei naturwissenschaftl. Namen Abkürzung für J. H. Kaltenbach, geb. 1807 zu Köln, gest. 1876 als Lehrer daselbst (schrieb: „Die Pflanzenfeinde aus der Klasse der Insekten“, Stuttg. 1872).

Kaltbad, s. Rigi.

Kaltblüter, s. Tierische Wärme.

Kaltbruch, die Eigenschaft mancher Metalle, bei der mechanischen Bearbeitung (Hämmern, Walzen etc.) in gewöhnlicher Temperatur rissig zu werden, eine Folge von fremden Beimengungen (z. B. von Phosphorgehalt bei Schmiedeeisen, von Kupferoxydul bei Kupfer) oder veranlaßt durch kristallinische Struktur, welche durch Guß bei nicht gehöriger Temperatur entstanden ist.

Kälte, s. Wärme.

Kälteerzeugungsmaschinen, s. v. w. Eismaschinen, s. Eis, S. 400.

Kalte Farben nennt man in der Malerei Blau und Weiß sowie die aus Mischung mit Blau oder Weiß entstandenen Farben, wie Violett und Grün, wenn erstere beiden in der Mischung vorherrschen.

Kältemischungen (Frostmischungen), Mischungen verschiedener Substanzen, welche zur künstlichen Erniedrigung der Temperatur angewandt werden. Die Wirkung der K. beruht im allgemeinen auf dem raschen Flüssigwerden fester Körper infolge einer stattfindenden Auflösung oder Schmelzung, wobei sehr viel Wärme gebunden wird. Um einen möglichst großen Effekt zu erzielen, muß man stets mit größern Mengen arbeiten, die festen Körper fein pulvern und sie, wie die Flüssigkeiten und Gefäße, möglichst kalt anwenden, auch in Gefäßen aus schlechten Wärmeleitern arbeiten. Vgl. Eismaschinen im Art. „Eis“. Eine Übersicht brauchbarer K. gibt folgende Zusammenstellung:

Zusammensetzung der Kältemischungen Temperatur­erniedrigung
1) Metallgefäße nicht angreifende Kältemischungen.  
a) Ohne Schnee und Eis:  
Feste Kohlensäure und Äther um 99°–100°
5 Salmiak, 5 Salpeter, 8 Glaubersalz, 16 Wasser von +121/2° auf −16°
1 salpetersaures Ammoniak, 1 Wasser   +121/2°  −16°
1   1 Soda, 1 Wasser   +121/2°  −14°
3 Salmiak, 1 Salpeter, 6 Chlorkalium, 10 Wasser   +25°  −6°
1  4 gesättigte Salpeterlösung um 13°
b) Mit Schnee oder fein gestoßenem Eis:  
3 kristallisiertes Chlorcalcium, 2 Schnee von 0° auf −45°
1   2      −421/2°
3 Kochsalz, 2 Schnee     −17°
Eis oder Schnee und stärkster Alkohol     −30°
10 Kochsalz, 5 Salmiak, 5 Salpeter, 1/4 Schnee um 28°
2  1  5 Schnee   24°
2) Metallgefäße angreifende Kältemischungen.  
a) Ohne Schnee und Eis:  
8 Glaubersalz und eine abgekühlte Mischung von 3 Salzsäure und 2 Wasser von +10° auf −17°
5       21/2 Schwefelsäure und 11/2 Wasser   +121/2°  −171/2°
885       500   208    +121/2°  −10°
3 Glaubersalz, 2 verdünnte Salpetersäure   +121/2°  −14°
6  5 salpetersaures Ammoniak und 4 verdünnte Salpetersäure   +121/2°  −10°
b) Mit Schnee oder fein gestoßenem Eis:  
1 Schnee und 1 verdünnte kalte Schwefelsäure von −6° auf −50°
8   5 Salzsäure um 32°.

Kalte Nadelarbeiten, techn. Ausdruck in der Kupferstecherkunst für das Verfahren, mit der Radiernadel nicht in den Wachsgrund zu schneiden und dann zu ätzen, sondern mit derselben das Kupfer selbst

Empfohlene Zitierweise:
verschiedene: Meyers Konversations-Lexikon, 4. Auflage, Band 9. Bibliographisches Institut, Leipzig 1887, Seite 412. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Meyers_b9_s0412.jpg&oldid=- (Version vom 28.1.2023)