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Herman Melville Übersetzt von Rudolph Garrigue: Vier Monate auf den Marquesas-Inseln oder ein Blick auf Polynesisches Leben
1. Theil

beinahe beide Seiten der Schlucht. Die wenigen Augenblicke, wo wir noch Tageslicht hatten, wandten wir an, um unsere Hütte mit einer Art von breitblätterigem Grase zu decken, welches in jeder Spalte der Schlucht wuchs. Unsere Hütte, wenn ich sie so nennen darf, bestand aus sechs oder acht der geradesten Äste, die wir finden konnten, und welche wir schräg an die steile Felswand lehnten, so daß das untere Ende derselben kaum zwei Fußbreit vom Rande des Stromes stand. Wir krochen in den so bedeckten Raum und streckten unsere müden Glieder, so gut es gehen wollte.

Werde ich je die schreckliche Nacht vergessen? Dem armen Tobias konnte ich kaum eine Sylbe entlocken. Es wäre mir ein Trost gewesen, seine Stimme zu hören, allein er lag oder saß die ganze lange Nacht, seine Kniee bis ans Kinn in die Höhe gezogen, mit dem Rücken gegen die feuchte Felswand gelehnt, und zitterte, als wenn ihn der Schlag gerührt hätte. In dieser schaurigen Nacht schien nichts zu unserm vollkommenen Elend zu fehlen. Der Regen goß in solchen Strömen herab, daß unser elendes Obdach mir wie ein Hohn vorkam. Vergebens suchte ich mich vor den unaufhörlichen Güssen zu schützen, die mich überrieselten; wenn ich eine Stelle schützte, setzte ich die andere nur um so mehr dem Wasser aus, welches sich immer neue Öffnungen machte, um uns zu durchweichen.

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Herman Melville Übersetzt von Rudolph Garrigue: Vier Monate auf den Marquesas-Inseln oder ein Blick auf Polynesisches Leben, 1. Theil. Gustav Mayer, Leipzig 1847, Seite 88. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Melville-Vier_Monate_auf_den_Marquesas-Inseln._Teil_1.djvu/98&oldid=- (Version vom 1.8.2018)