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Herman Melville Übersetzt von Rudolph Garrigue: Vier Monate auf den Marquesas-Inseln oder ein Blick auf Polynesisches Leben
1. Theil

erschrecken, indem sie auf Einen ihres eignen Stammes zeigten und ihn „Typie“ nannten. Sie bezeugten dann unverholenes Erstaunen, wenn wir bei einer solchen Schreckensnachricht nicht gleich die Flucht ergriffen. Auch war es komisch, mit welchem Ernst sie jede cannibalische Neigung bei ihrem Stamme leugneten, während sie ihre Feinde als hartnäckige Gourmands im Menschenfleisch darstellten; doch ist dies eine Eigenthümlichkeit, auf die ich später zurückkommen werde.

Obgleich ich überzeugt war, daß die Bewohner unserer Bucht so eingefleischte Cannibalen seien, wie irgend ein anderer Stamm auf der Insel, so konnte ich doch einen besondern, ungebundenen Abscheu gegen die Typies nicht unterdrücken. Selbst ehe ich die Insel besuchte, hatte ich von andern Reisenden, die diese Küsten berührt hatten, die empörendsten Berichte über die Thaten dieser Wilden bekommen. Namentlich stand das Abenteuer des Capitains der „Katharina“ lebhaft vor meinem Gedächtniß, der nur wenige Monate vorher sich unvorsichtigerweise in einem bewaffneten Boote in diese Bucht gewagt hatte, um einen Tauschhandel zu machen. Er ward von den Wilden ergriffen, eine Strecke weit ins Thal geführt und entging einem grausamen Tode nur durch Vermittlung eines jungen Mädchens, das ihm Nachts zur Flucht, die Küste entlang, nach Nukuheva behülflich war.

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Herman Melville Übersetzt von Rudolph Garrigue: Vier Monate auf den Marquesas-Inseln oder ein Blick auf Polynesisches Leben, 1. Theil. Gustav Mayer, Leipzig 1847, Seite 47. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Melville-Vier_Monate_auf_den_Marquesas-Inseln._Teil_1.djvu/57&oldid=- (Version vom 1.8.2018)