Herman Melville Übersetzt von Rudolph Garrigue: Vier Monate auf den Marquesas-Inseln oder ein Blick auf Polynesisches Leben 1. Theil | |
|
der Thalbewohner zu beobachten, half, den günstigen Eindruck zu befestigen. Eine Eigenthümlichkeit, die meine Bewunderung fesselte, war die ewige Heiterkeit, die überall im Thale herrschte. Es schien in ganz Typie keine Sorgen, keinen Kummer, keine Bedrängniß und keinen Ärger zu geben. Die Stunden enteilten so heiter, wie lachende Paare sich in ländlichem Tanze schwingen.
Es gab keine der tausend Quellen des Zornes, die die aufgeklärte Welt erfunden hat, um ihre eigne Zufriedenheit zu untergraben. In Typie kannte man keine verfallenen Pfänder, keine protestirten Wechsel, keine zahlbaren Anweisungen, keine Ehrenschulden, keine Mahner irgend einer Art; keine Advokaten, um Streit anzufachen und dann ihre Klienten zu prellen; keine armen Verwandten, die ewig die Fremdenzimmer bewohnen und die eigne Familie einengen; keine unglücklichen Wittwen mit Kindern, die bei der Kaltherzigkeit der Welt verhungern; keine Bettler, kein Schuldgefängniß, keine stolzen und hartherzigen Millionairs, oder um Alles in Ein Wort zu fassen – kein Geld! „Diese Wurzel alles Übels“ ward nicht im Thale gefunden.
In diesem traulichen Wohnsitz des Glückes gab es keine keifenden alten Weiber, keine grausamen Stiefmütter, keine verwelkte alte Jungfer, kein liebeskrankes Mädchen, keinen versauerten alten Junggesellen, keinen unaufmerksamen Ehemann, keinen melancholischen Jüngling, keine
Herman Melville Übersetzt von Rudolph Garrigue: Vier Monate auf den Marquesas-Inseln oder ein Blick auf Polynesisches Leben, 1. Theil. Gustav Mayer, Leipzig 1847, Seite 243. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Melville-Vier_Monate_auf_den_Marquesas-Inseln._Teil_1.djvu/253&oldid=- (Version vom 1.8.2018)