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Herman Melville Übersetzt von Rudolph Garrigue: Vier Monate auf den Marquesas-Inseln oder ein Blick auf Polynesisches Leben
1. Theil

hinabstürzenden Felsbröckel, welche unser Fuß losbrach, wenn wir gegen die Unsicherheit unsrer Schritte völlig gleichgiltig, uns tollkühn kleinen Wurzeln und Zweigen anvertrauten, ohne zu wissen, ob sie uns im Vorübereilen würden tragen können oder ob sie vielleicht verrätherisch unter unsern Händen brechen müßten. Ich meinestheils wußte kaum, ob ich hülflos aus der Höhe von Spitze zu Spitze hinabstürzte oder ob die furchtbare Schnelligkeit, mit der ich hinabstieg, ein Werk meiner eignen Willenskraft war.

In wenigen Minuten erreichten wir die Tiefe des Schlunds und ich beugte mich von einem überhängenden Felsenvorsprung über den Strom. Welch’ ein köstliches Gefühl durchströmte mich da! Einen Augenblick zögerte ich, um meine ganze Genußfähigkeit zu sammeln, und dann tauchte ich meine heißen Lippen in das klare Wasser. Wären die sodomitischen Äpfel in meinem Munde zu Asche geworden, ich hätte nicht eine vollständigere Austrocknung empfinden können. Ein einziger Tropfen der kalten Flüssigkeit schien jeden Blutstropfen in mir zu erstarren; die Fieberhitze, die mich förmlich ausgebrannt hatte, wich augenblicklich aus meinen Adern und machte einem wahren Todtenschauer Platz, der mich ergriff und wie mit elektrischen Schlägen schüttelte, während der Schweiß, den meine heftige Anstrengung hervorgebracht, zu eisigen

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Herman Melville Übersetzt von Rudolph Garrigue: Vier Monate auf den Marquesas-Inseln oder ein Blick auf Polynesisches Leben, 1. Theil. Gustav Mayer, Leipzig 1847, Seite 103. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Melville-Vier_Monate_auf_den_Marquesas-Inseln._Teil_1.djvu/113&oldid=- (Version vom 1.8.2018)