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Holdherz brachte Viola auf seinem Wagen bald bis an das Schloß. Als sie aber ankam, ließ sie der Schloßaufseher nicht hinein. „Du bist zwar ein engelhübsches Kind, sagte er, aber doch nur eine Bäurin; die darf ich nicht hinein laßen.“ Da forderte Viola ein Zeugniß, daß sie mit der Schachtel da gewesen sei und bekam es. Holdherz aber brachte sie in seinem Wagen bis an die Stadt.

Als nun die Grunzau sahe, daß sie gegen die Unschuld nichts ausrichten konnte – sie wußte aber nicht, warum nicht, denn sie wußte nicht, daß die Unschuld meistentheils einen Helfer und Retter findet – da faßte sie in Rache und Wuth den Höllengedanken, die gehäßige Tochter jämmerlich umkommen zu laßen. Sie hatte tief hinten im Walde am Garten ein großes Loch graben laßen, dahin mußten ihre Henkershelfer Violen des Nachts tragen und hineinwerfen und einen großen Stein darauf legen. So wollte sie dann sagen, Viola sei fortgekommen, sie wiße nicht wie?

„O! nun bin ich lebendig begraben und muß jämmerlich umkommen, wimmerte Viola. Leb wohl! leb wohl! du treuer Holdherz und sei recht glücklich, und gräme dich nicht um mich!“

Indem sie so jammerte, erweiterte sich die Höhle und wurde es darin helle und immer heller, und es kamen Bäume zum Vorschein und am Ende stand ein Schloß da, und war ihr Alles so bekannt. Aber es war ja Holdherzens Zauberschloß, vor dem sie sich befand. Da sie nun hörte, daß sie der Vater auf Verlangen seines bösen Weibes verstoßen wollte, als eine Entlaufene, da hielt sie sich für frei von väterlicher Gewalt, und Holdherz wurde ihr Gemahl.

Sie war schon drei Wochen vermählt, da sagte ihr Gemahl: „Wir wollen deinen Vater besuchen!“ Das geschahe alsbald.