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durch Jahrzehnte erprobten Freunde, die Verkörperung seiner Geschichte weggenommen wurden. Am 31. Oktober 1911 starb hochbetagt die zweite (eigentlich erste) Oberin Schwester Pauline Fischer. Aus vornehmem Hause entsprossen und in vornehmer Umgebung herangewachsen, hat sie gerne zu den Niedrigen sich gehalten, nicht in spürbarer Herablassung, der das zur Schau getragene Opfer dessen Wert und Weihe nimmt, sondern in der gewinnenden Freundlichkeit und Leutseligkeit, die ihr Leben für viele gewinnbringend machte. Klug und bedächtig, still und gemessen, herzlich, wenn sie es sein wollte, hat sie Freundschaft und Verbindung mit den hohen Kreisen nicht gesucht, aber in ihnen eine Freundin gefunden, die ihr alles anvertraute, weil sie in Schwester Pauline sich geborgen wußte. Ihr, die von innen heraus das Haus baute und ihm durch fast vierzig Jahre das Gepräge der ruhigen Besonnenheit und heiligen Solidität gab, trat die edle Gönnerin, Gräfin Stephanie du Ponteil, geb. von Froelich zur Seite, um reiche Mittel zur äußeren Festigung des Augsburger Werkes darzubieten. Als sie 1886 starb (11. Dezember) hatte ihr letzter Wille neben anderen Arbeiten der inneren Mission das Diakonissenhaus reichlich bedacht. Sie hatte in ihm den köstlichen Schatz gefunden und gab um seinetwillen gerne hin, was sie an Schätzen besaß.

 Nur einzelne kurze Bilder konnte und wollte ich bieten, aber vielleicht reizt ein und die andere Hörerin des Vortrags dieser und jener Zug zu dem Versprechen, etwas Ganzes auf altem unwandelbaren Grund sein zu wollen. Ein längst Verstorbener, der gewohnt war, mit erquicklicher Nüchternheit die Dinge zu betrachten, hat auf die Frage, warum die Reformbewegung, welche im Jahre 1870 in der katholischen Kirche einsetzte, geringen Erfolg habe, die Antwort gegeben, es fehle ihr an Frauen und an Bauern.

 Beides hat unsere Kirche, den konservativen Bauernstand, dessen tiefste Wurzeln im Kirchenboden ruhen, so wenig ich idealisieren und schönfärben will. Und an Frauen, die den im Gedächtnis behalten, der ihrem Geschlechte höhste Ehre erzeigte – „geboren von einem Weibe“, – möge es dieser entscheidungsreichen Zeit nie gebrechen, weil ohne sie die Zeit zerfällt.

Empfohlene Zitierweise:
Hermann von Bezzel: Frauengestalten aus der Landeskirche. Verlag der Buchhandlung des Vereins für innere Mission, Nürnberg 1912, Seite 14. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Hermann_von_Bezzel_-_Frauengestalten_aus_der_Landeskirche.pdf/14&oldid=- (Version vom 8.9.2016)